Warum Teheran dem Westen bisher trotzt

Über das Buch "The Rise of Nuclear Iran. How Tehran Defies the West" von "Dore Gold"

Von Matthias Küntzel

Jewish Political Studies Review, Fall 2010.

Dore Gold, der frühere israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, ist keiner jener Diplomaten, die Memoiren schreiben. Er nutzt seine Expertise, um Defizite zu beschreiben und Änderungen einzuklagen. Sein jüngstes Buch geht mit der Iranpolitik des Westens hart zu Gericht. „Es ist dringend erforderlich, zu verstehen”, schreibt Gold, „wie es der Iran seit zehn oder mehr Jahren fertigbringt, allen westlichen Versuchen, sein Atomprogramm zu stoppen, zu trotzen. … Es ist entscheidend, … herauszufinden, was hier genau schief gelaufen ist.”[1] Es fällt schwer, ein Buchthema zu benennen, das aktueller, drängender und relevanter sein könnte, als dies.

Die Quellen dieser Studie sind in mehr als 800 Fußnoten nachgewiesen: Berichte aus Tageszeitungen, Studien diverser Institute aus aller Welt, Buchveröffentlichungen der letzten 30 Jahre. Golds Untersuchung setzt mit dem Beginn der Islamischen Republik 1979 ein und beschreibt in einer Rückschau, warum die Politik des Westens mit den Mullahs immer wieder gescheitert ist.

Der erste Teil führt unter der Überschrift The Anatomy of Diplomatic Failure am Beispiel der aktuellen Nuklearverhandlungen in die Thematik ein. Teil zwei (The History of Misreading Iran) stellt die Geschichte des Scheiterns der westlichen Irandiplomatie in einem chronologischen Rückblick dar.

Wir werden hier nicht nur über die in Vergessenheit geratenen Versuche verschiedener US-Administrationen informiert, mit dem Mullah-Regime ins Gespräch zu kommen. Gold erinnert zugleich an die absurden Fehleinschätzungen über Khomeini, die das Handeln der Carter-Administration in den Monaten vor und nach der Islamischen Revolution dominierten. Er behandelt die amerikanische Iranpolitik der Achtzigerjahre unter Ronald Reagan, beleuchtet die Iranpolitik in den beiden Amtsperioden von Bill Clinton und geht der Frage auf den Grund, ob es nach dem 11. September reale Chancen einer Normalisierung der Beziehungen gab.

Der dritte Teil (Why Western Dialogue with Iran Failed) legt die Gründe für das Scheitern der westlichen Politik systematisch dar und kommt auf das gegenwärtige Regime und die Präsidentschaft Ahmadinejads zurück.

EINE ATEMBERAUBENDE ASYMMETRIE

Der frühere Botschafter schildert haarsträubende Ereignisse in einem nüchternen Ton. So listet er ohne weitere Ausschmückungen die von Teheran angeordneten Attentate der Jahre 1983/1984 auf. April 1983: 60 Tote beim Anschlag auf die US-Botschaft in Beirut. Oktober 1983: 241 Tote beim Anschlag auf das amerikanische Marinequartier in Beirut, 58 Tote beim Anschlag auf das französische Quartier. November 1983: 60 Tote bei der Sprengung eines israelischen Militärquartiers in Südlibanon. Dezember 1983: Sechs Bombenattentate auf die amerikanische und die französische Botschaft in Kuweit. April 1984:18 Tote bei einem Anschlag auf ein US-Militärquartier in Spanien.

Anschließend schilderte er die amerikanische Reaktion. Im Oktober 1983 notierte Ronald Reagan in sein Tagebuch: „Wir alle glauben, dass die Iraner hinter diesen Anschlägen stehen.“ Dennoch behauptete “Verteidigungsminister Caspar Weinberger in einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrat steif und fest, dass die USA keine spezifischen Kenntnisse hätten, wer die Marinequartiere angegriffen habe und dass sie deshalb nicht in der Lage seien, einen Militärschlag gegen verdächtige Ziele zu befehlen.“[2]

Während 1983 auch die Öffentlichkeit über die iranische Urheberschaft nur spekulieren konnte, sind mittlerweile die Dokumente bekannt, die der amerikanischen Führung im Herbst 1983 vorgelegen hatten; Dokumente, die zeigen, dass die Beweise für die iranische Urheberschaft der Attentate „überwältigend“ waren. Der Rückblick enthüllt somit eine atemberaubende Asymmetrie: Während die Islamische Republik den USA einen der schlimmsten Verluste seit den Kamikaze-Angriffen der Japaner zufügte, schreckte das Weiße Haus davor zurück, die Schuldigen auch nur zu benennen.

Dreizehn Jahre später wiederholte sich dieses Muster. Im Juni 1996 ließ Teheran eine Bombe in den Khobar Towers in der saudischen Stadt Dhahran hochgehen – dem Wohnkomplex für amerikanische GIs. 19 Soldaten wurden getötet, 372 verletzt. Am Folgetag machten der Nationale Sicherheitsrat, die CIA sowie Sicherheitsberater Anthony Lake die von Teheran finanzierte Saudi Hizbollah für den Anschlag verantwortlich. „In der Öffentlichkeit aber”, berichtet Dore Gold, „wollten die Vereinigten Staaten den Iran nicht allzu direkt mit den Khobar Towers in Verbindung bringen, vermutlich, weil dies öffentlichen Druck für eine Militäraktion gegen Teheran ausgelöst hätte.“[3]

Damit illustriert der Autor einen Grundfehler der westlichen Politik: “Der Iran zahlte niemals einen ernsthaften Preis für seine offen terroristischen Aktivitäten gegen die USA und andere westliche Länder.“[4]

Wer sich aber immer wieder weigert, das Offenkundige beim Namen zu nennen, läuft Gefahr, den eigenen Verharmlosungen irgendwann selbst zu glauben. „Wenn es einen zentralen Fehler gab, der sich über die Jahre hinweg wiederholte“, schreibt Dore Gold, „dann war es die Tendenz, die tatsächlichen feindseligen Absichten des iranischen revolutionären Regimes zu unterschätzen.“[5]

Aus diesem „zentralen Fehler“ resultierte eine weitere Fehleinschätzung der westlichen Politik: Wann immer ein iranischer Führer pragmatisch anmutende Signale aussandte, klammerte man sich an den Glauben, er könne das Regime zu einer moderateren Politik bewegen.

So galt der iranische Präsident Hashemi Rafsandjani während der Amtszeit Ronald Reagans (1981-1989) als Pragmatiker, dem mehr an nationalen Interessen als ideologischen Ambitionen gelegen sei. Um diesen Hoffnungsträger zu stärken, ließ die Reagan-Administration 1985 im Zuge der Contra-Affäre mehr als 500 Raketen nach Iran transferieren.

1994 kam die Clinton-Administration (1993-2001) zu dem Schluss, dass von Rafsandjani, dem Strategen der iranischen Atompolitik, keine positiven Veränderungen zu erwarten seien. Ab 1995 begann Präsident Bill Clinton, den Iran mit Sanktionen unter Druck zu setzen, um den Terror einzudämmen und das Atomprogramm zu stoppen.

ENTGEGENKOMMEN STÄRKT DIE HARDLINER

In der zweiten Amtszeit Bill Clintons wurde Reagans Fehler aber wiederholt. Jetzt wollte man in Präsident Mohammad Khatami den neuen Hoffnungsträger sehen und ignorierte, dass die eigentlich Macht auch weiterhin beim Revolutionsführer und dessen Revolutionswächtern lag. Am 17. März 2000 reichte die damalige Außenministerin Madeleine Albright der islamischen Republik mit einer sorgfältig vorbereiteten Erklärung die Hand: Darin bedauerte sie die Rolle, die die USA zwischen 1953 und 1979 in Iran gespielt hatten und lobte Khatamis Politik: „Die demokratischen Tendenzen in Iran sind herzerfrischend und viele der Ideen, die sich seine Führer zu eigen machen, wirklich ermutigend.“[6]

Wie hatte damals die iranische Führung Albrights Offerte beantwortet? „Albrights Rede hat die Verbündeten Khatamis nicht gestärkt”, resümiert Dore Gold. “Schon im Monat darauf begann die von Revolutionsführer Khamenei kontrollierte Justiz, führende Journalisten zu verhaften und ins Gefängnis zu werfen.“[7]

Diese Episode führt vor Augen, das die Kommunikation mit Iran auf anderen als den üblichen Mustern beruht. Normalerweise erwarten wir von Gesprächspartnern, dass sie unsere Freundlichkeit mit einer Freundlichkeit ihrerseits honorieren. Nicht so bei Irans revolutionionärem Regime. Hier gilt westliche Freundlichkeit als eine Schwäche, die den Hardlinern neue Spielräume verschafft.[8] Um so irritierender, dass Präsident Obama 2009 bei einem Präsidenten Ahmadinejad glaubte erreichen zu können, was Außenministerin Albright neun Jahre zuvor bei Mohammad Khatami misslang.

Damals wie heute haben auch die zerknirschten Entschuldigungsformeln für die frühere Iranpolitik der USA nur Hohn bewirkt und das Regime gestärkt. Mehr noch: „Dadurch, dass wir die wiederholten iranischen Erklärungen über die unmittelbare Verantwortlichkeit des Westens für Mossdadeqs Sturz für bare Münze nahmen … wurden die Beobachter in Washington und den europäischen Hauptstädten von der wirkliche Ursache der Spannungen zwischen beiden Seiten abgelenkt: Irans aggressive revolutionäre Ideologie und seine Ambitionen, die Region zu dominieren.“[9]

TECHNIK DER TÄUSCHUNG

Die iranische Diplomatie machte es dem Westen allerdings nicht leicht, deren aggressive Ideologie zu erkennen. Gold beschreibt die tradierten Techniken der Täuschung, die die schiitischen Führer anzuwenden pflegen. Dazu gehört die „Taktik des khod’eh, (,Verleitung des Feindes zu einer falschen Einschätzung der eigenen tatsächlichen Position‘)“ wie auch “die schiitische Doktrin der taqiya – eine bestimmte Absicht vorzuführen, obwohl man eine ganz andere hegt.”[10]

Manchmal prahlt das Regimes mit derartigen Tricks.“Wir hatten eine offene Politik – die der Verhandlung und der Vertrauensbildung – sowie eine geheime Politik, die auf die Fortsetzung der Aktivitäten zielte“, erklärte zum Beispiel Abdollah Ramezanzahdeh, der Regierungssprecher von Präsident Khatami11. Nach außen gaukelte man den westlichen Diplomaten vor, dass die Suspendierung der Nuklearaktivitäten in Reichweite sei. Nach innen ging es um ein einziges Ziel: die Beschleunigung des Atomprogramms.

TAKTIK DER SPALTUNG

Mit dieser Doppelbödigkeit ist das Arsenal iranischer Täuschungen nicht erschöpft. Wir haben es zugleich mit einer ausgefeilten Taktik der Spaltung zu tun.

Auf der einen Seite lässt das Regime keinen Zweifel, dass es sich als eine revolutionäre und expansive Kraft versteht, die die „Welt der Arroganz“ in Gänze überwinden will. Mit „Welt der Arroganz“ sind sämtliche liberalen Gesellschaften und Demokratien gemeint, die so „arrogant“ sind, sich ihre eigenen Gesetze zu geben, anstatt sich blind dem „göttlichen“ Scharia-Recht zu unterwerfen. Auf der anderen Seite werden, um dieses Ziel schrittweise zu erreichen, Spaltkeile in den Westen getrieben.

Erstens fordert die iranische Führung, dass Amerika und Europa den Staat Israel „auf dem Altar einer muslimisch-christlichen Annäherung opfern.“[12] Zweitens verspricht man den Europäern eine privilegierte Zusammenarbeit, sofern sich diese von den USA distanzieren. Last but not least versucht man, die muslimische Türkei von ihren westlichen Nato-Verbündeten abzuspalten sowie das katholische Brasilien und andere Länder Südamerikas vom Rest der christlich orientierten Welt.

Bislang hat dies erstaunlich gut funktioniert. Schon 1979 lehnte die damalige Europäische Gemeinschaft gemeinsame westliche Sanktionen ab, um gegen die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran und die Misshandlung der Botschaftsangehörigen als Geiseln zu protestieren. In den Neunzigerjahren weitete sich „die Kluft zwischen den Vereinigten Staaten und seinen europäischen Verbündeten“, so Dore Gold, erheblich aus.[13]

Als die Clinton-Administration 1995 den Druck auf Teheran verstärkte, konterte die Europäische Union mit ihrem Konzept des „Kritischen Dialogs“. Besonders hartnäckig suchte sich Berlin als Partner Irans zu profilieren. So wurden die amerikanischen Sanktionsbemühungen mittels umfangreicher deutscher Warenlieferungen systematisch konterkariert. Süffisant berichtet Hossein Mousavian, wie außerordentlich erfreut man in Teheran darüber war. Irans Entscheidungsträger „waren sich in den Neunzigerjahren über Deutschlands bedeutende Rolle bei der Sprengung der ökonomischen Ketten, mit denen die USA den Iran umgeben hatten, bewusst.“[14]

Mousavian zufolge erreichte der deutsch-amerikanische Interessengegensatz 1996 einen Höhepunkt. In diesem Jahr hatten Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Deutschland die Namen derjenigen deutschen Firmen ausfindig gemacht, „die sich auf dem Gebiet des Exports fortgeschrittener Technologien nach Iran engagierten.“ Die Ergebnisse ihrer Nachforschungen legten die Amerikaner dem deutschen Wirtschaftsministerium vor. Die Bundesregierung bedankte sich auf ihre Art und verfügte die Ausweisung eines Mitarbeiters der amerikanischen Botschaft wegen Spionagetätigkeit.[15]

Dore Gold erinnert uns daran, wie vergeblich jener“Kritische Dialog” gewesen ist. Im Juli 1994 tötete ein von der Führung des Mullah-Regimes beschlossener Anschlag auf dass Jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 85 Menschen. Im selben Jahre eröffnete die Hamas ihr Büro in Teheran. Im Sommer 1995 versuchte Teheran den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zu töten und das Herrscherhaus in Bahrein zu stürzen. In selben Jahre wurden regelmäßig neue Waffen von Iran nach Bosnien verschafft und an 2000 dort stationierte Revolutionsgardisten weitergegeben. Im Khobar-Anschlag von 1996 wurden schließlich 19 in Saudi-Arabien stationierte Amerikaner getötet.

Warum hielten die Europäer trotz all dieser Provokationen am „Kritischen Dialog“ fest? Warum weiteten sie ihren Handel mit Iran selbst nach Enthüllung des heimlich betriebenen Atomwaffenprogramms von 2002 weiter aus?[16]

Noch stehen uns die Akten, die eine präzise Antwort ermöglichen, nicht zur Verfügung. An mangelhafter Informiertheit über Irans Politik lag dies aber nicht. Warren Christopher, amerikanischer Außenminister von 1993-97, enthüllte in seinen Memoiren, wie man die Europäer in die Mangel nahm: “Wir organisierten private Treffen, bei denen wir sie über die von unseren Geheimdiensten gesammelten Erkenntnisse unterrichteten. … Unglücklicherweise blieb bis heute unserem Kampf, unsere Alliierten von Geschäften mit Iran abzuhalten, der Erfolg versagt.“[17]

EUROPÄISCHES APPEASEMENT

Stattdessen dürfte ein anderer Aspekt für die europäische Politik eine Rolle gespielt haben: jene Verbindung zwischen Wunschdenken und Angst, wie sie für das Appeasement-Denken typisch ist. Hierauf weist der ehemalige iranische Botschafter in Deutschland, Hossein Mousavian, ausdrücklich hin: „Die Kontaktpflege mit Teheran wurde eher als eine Möglichkeit betrachtet, Europa vor terroristischen Aktivitäten der iranischen Regierung zu schützen, denn als prinzipiengestützte Politik.“[18]

Winston Churchill soll den Appeaser als einen Menschen charakterisiert haben, der das Krokodil in der Hoffnung füttert, dass es ihn als Letzten frisst. Je unberechenbarer aber ein Gegner, desto stärker die Neigung zur Beschwichtigung. Terror und Dialogbereitschaft sind in der Logik des Appeasements somit keine Gegensätze, sondern schaukeln sich gegenseitig hoch.

Die These vom Appeasement setzt eine Sichtweise voraus, die das iranische Regime lieber beschwichtigen, als herauszufordern sucht, weil man es als einen ernst zu nehmenden Gegner fürchtet. Ein zweiter Erklärungsansatz geht von geostrategischen Interessen aus: Hierbei wird das Regime weniger als Gegner, denn als nützlicher Verbündeter gesehen.

DEUTSCHE GEOSTRATEGISCHE INTERESSEN

So setzte sich noch im Januar 2006 der Direktor der deutschen „Stiftung für Wissenschaft und Politik“, Volker Perthes, für eine „strategische Partnerschaft“ und für „weitreichende Formen der Zusammenarbeit“ zwischen Deutschland und Iran ein.[20] Die Ration dieser Überlegung ist das Bestreben, Amerikas Einfluss in der Region zu begrenzen. Dies sprachen 2007 zwei Autoren in einem öffentlich finanzierten Informationsdienst zur Sicherheitspolitik offen aus: “Wer in der Lage ist, den Iran auf seine Seite zu ziehen, hätte nicht nur energielogistisch „ausgedient“, sondern könnte auch den USA gegenüber in anderer Weise auftreten.“[21]

Vorbilder für den Versuch, den Islamismus für eigene Interessen einzuspannen, gibt es genug: Israel duldete die Hamas, um der PLO zu schaden, Sadat förderte die Muslimbruderschaft, um kommunistische Studenten in Ägypten zu bekämpfen, die Amerikaner finanzierten Osama bin Laden, um die Sowjets in Afghanistan zu vertreiben. Warum sollte da nicht auch Deutschland auf die Idee kommen, den Amerikanern mithilfe des Iran eins auszuwischen?

Allerdings haben sich schon in der Vergangenheit alle Versuch, den Islamismus zu instrumentalisieren, gerächt. Im Falle einer Atommacht Iran steht weitaus mehr auf dem Spiel. Wer tatsächlich glaubt, sich auf diesem Gebiet ein taktisches Spielchen erlauben zu können, betreibt ein abenteuerliches, hochriskantes Spiel. Ob die europäische bzw. deutsche Politik Iran beschwichtigen oder sich des Regimes aus strategischem Interesse bedienen will – in beiden Fällen trifft zu, was Dore Gold in seinem Buch als zentralen Vorwurf formuliert: Dass die Akteure „die wahren Absichten Irans systematisch missdeuten.“[22]

Auf diese Weise wuchs mit dem iranischen Atomprogramm auch das islamistische Regime zu einer immer größeren Bedrohung für Sicherheit und Frieden in der Welt. „Was geschehen wird, wenn ein Terrorstaat … über die nukleare Schwelle schreitet, ist analytisches Neuland“, warnt Dore Gold. “Es gibt für einen Politiker, der mit diesem Szenario konfrontiert ist, keinen Präzedenzfall.[26]

„The Rise of Nuclear Iran“ fasst nicht nur die Fehler des Westens im Umgang mit Iran, sondern auch das Risikopotential einer Strategie, die jene Fehler fortzusetzen gedenkt, markant zusammen. Dore Gold hat recht: „Um die Fehlschläge der Vergangenheit zu vermeiden, ist es wichtig, zu bestimmen, was genau bislang schief gelaufen ist.“ Sein Buch verdient Verbreitung und sollte insbesondere in den Führungszirkeln der westlichen Welt gelesen werden. Es ist ein Beitrag, der zu befördern hilft, was am allermeisten fehlt: Die offene Auseinandersetzung zwischen westlich orientierten Regierungen über Interessenunterschiede, Fehler und Notwendigkeiten im Umgang mit Iran.

Auf englisch veröffentlicht in: Jewish Political Studies Review, Fall 2010, Volume 22, Numbers 3&4, Seite 145-153.
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[1] Dore Gold, The Rise of Nucear Iran. How Tehran Defies the West, Washington D.C. (Regenery Publishing, Inc.), 2009, S. 7.

[2] A.a.O., S. 81.

[3] A.a.O., S. 137.

[4] A.a.O., S. 190.

[5] A.a.O., S. 180 und 182.

[6] A.a.O., S. 146.

[7] A.a.O., S. 147.

[8] Demgegenüber hatte Druck von außen in der Vergangenheit den „Reformern“ genutzt. Nachdem im Frühling 1997ein Berliner Gericht die iranische Führung als den Urheber der Mykonos-Attentats in Berlin identifiziert hatte, wurden die EU-Botschafter aus Iran abgezogen und der „Kritischen Dialog“ beendet. Unmittelbar darauf wurde der „moderate“ Mohammed Khatami als neuer iranischer Präsident akzeptiert.

[9] A.a.O., S. 183.

[10] A.a.O., S. 62f.

[11] Op. cit., p. 15.

[12] Ze’ev Maghen, From Omnipotence to Impotence: A Shift in the Iranian Portrayal of the “Zionist Regime”, The Begin-Sadat Center for Strategic Studies, Bar-Ilan University, Mideast Security and Policy Studies No. 78, S. 16.

[13] A.a.O., S. 122.

[14] Seyyed Hossein Mousavian, Iran-Europe Relations, Milton Park (Routledge) 2008, S. 133.

[15] Mousavian, a.a.O., S. 70.

[16] Between 2003 and 2005, European exports to Iran rose 29 percent, to € 12.9 billion while German exports to Iran increased by 20 percent in 2003 and another 33 percent in 2004, siehe hierzu Matthias Küntzel, Berlin, the Ayatollahs, and the Bomb, The Journal of International Security Affairs, Spring 2010 – number 10, S. 42.

[17] Warren Christopher, In the Stream of History, Stanford, 1998, S. 442

[18] Mousavian, a.a.O., S. 76.

[19] Matthias Küntzel, Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft, Berlin (Wolf Jobst Siedler) 2009, S. 263-4.

[20] Volker Perthes, Die iranische Herausforderung, in: Handelsblatt, 10. Januar 2006.

[21] Kinan Jaeger and Silke Wiesneth, Energiesicherheit für Europa, in: Der Mittler-Brief, 22. Jahrgang, Nr. 3, S. 7.

[22] Dore Gold, a.a.O., S. 50.

[23] A.a.O., S. 218-9.

[24] Matthias Küntzel, Obama’s Search for Peace in Our Time: The West goes wobbly on Iran, in: The Weekly Standard, 7. Dezember 2009.

[25] Ahmadinejad interviewed by Charlie Rose on the US Public Broadcasting Service, 6. Mai 2010.

[26] A.a.O., S. 287.