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Nazis und der Nahe Osten
Wie der islamische Antisemitismus entstand
Mit dem Angriff auf die militärische Führung und nukleartechnische Infrastruktur des Iran hat Israel ein worst case-Szenario vorerst verhindert: ein apokalyptisches Regime mit Atombombe.
Jungle World, 19. Juni 2025
Erneut versetzt Israel die Welt in Staunen. Im September 2024 waren es Tausende mit Sprengstoff präparierte Funkfernmelder, die in den Händen von Hizbollah-Kadern detonierten und die „Partei Gottes“ dauerhaft paralysierten. Jetzt gelang dem Mossad im Iran der nächste Husarenstreich. So konnte am 13. Juni bereits in den ersten Minuten des israelischen Angriffs die militärische und nukleartechnische Führungsschicht des Regimes aufgespürt und ausgeschaltet werden – eine herbe Demütigung für die Islamische Republik Iran.
Wie weit das Regime auf seinem Weg zur Bombe bereits fortgeschritten war, bezeugt eine Erklärung des 35 Mitglieder umfassenden Gouverneursrats der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA vom 12. Juni. Hier wurde erstmals seit 20 Jahren die iranische Atompolitik durch ein internationales Gremium an den Pranger gestellt. Gegen die Stimmen Russlands und Chinas billigte der Gouverneursrat eine Resolution, die dem Iran vorwirft, ein geheimes Atomprogramm betrieben, IAEA-Kontrollen stark behindert und den Atomwaffensperrvertrag wiederholt verletzt zu haben. Der Iran aber gab sich unbeeindruckt und forcierte sogar noch seinen Kurs. Noch am selben Tag kündigte das Regime den Bau eines neuen Urananreicherungszentrums mit moderneren und schnelleren Zentrifugen an.
Der Versuch des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, das Regime auf dem Verhandlungsweg zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, scheiterte. Der Iran machte pro forma mit, um Zeit zu gewinnen und Militärschläge aus Israel politisch möglichst zu blockieren. Bei der Frage der Urananreicherung blieb das Regime jedoch stur. Trump hatte seinen Verhandlungsversuch auf 60 Tage begrenzt. Am 12. Juni lief das von ihm gesetzte Ultimatum für eine Verhandlungslösung aus. Am Folgetag griff Israel an.
Die besondere Gefährlichkeit der iranischen Atomwaffenentwicklung hat mit der religiösen Ausrichtung des Regimes zu tun. „Für uns ist der Märtyrertod weitaus süßer, als im Bett zu sterben“, sagte im Mai Irans Präsident Masoud Pezeshkian. Einem apokalyptischen Regime, das den Märtyrertod feiert, ist alles zuzutrauen – auch ein Atomschlag auf Israel, selbst wenn im Gegenzug ungezählte Iranerinnen und Iraner „süß“ dabei draufgehen sollten. Zudem soll die iranische Führung „geplant haben, Atomwaffen an ihre Schattenarmeen weiterzugeben“, so die FAZ am 16. Juni. Religiöser Fanatismus plus Atombombe: Das ist der worst case der Weltpolitik, der um jeden Preis verhindert werden muss.
Nicht die gezielte israelische Kriegführung ist empörend, sondern die Tatsache, dass der Westen die israelischen Soldatinnen und Soldaten dazu zwingt, ihren Kopf hinzuhalten, um das Problem der iranischen Atombewaffnung im Alleingang zu lösen. Schließlich war es nicht das Versagen Israels, sondern das jahrzehntelange Versagen der westlichen Welt, das dieses Problem erst geschaffen hat. Anstatt die UN-Mitgliedschaft Irans zu suspendieren, solange dessen Führung den Holocaust leugnet und die Auslöschung des UN-Mitglieds Israel verlangt, hat Europa Geschäfte mit diesem Regime gemacht. Anstatt den Ayatollahs die Waffentechnik der Urananreicherung prinzipiell zu untersagen, betrieben insbesondere Deutschland, aber auch die USA Appeasement und ermöglichten es dem Regime, Waffenuran zu erzeugen.
Allerdings ist der Umstand, dass Israelis die Suppe auslöffeln müssen, die andere ihnen eingebrockt haben, nicht neu. So hatte Israel am 7. Juni 1981 mit acht Jagdbombern den irakischen Reaktor Osirak kurz vor seiner Inbetriebnahme zerstört, was damals der UN-Sicherheitsrat als Verstoß gegen das internationale Recht scharf verurteilte. Am 6. September 2007 zerstörten israelische Kampfjets einen Reaktor in Syrien, der nach nordkoreanischem Modell Plutonium erzeugen sollte. Beide Anlagen hätten sich später in Regionen befunden, die vor gut zehn Jahren die Terrororganisation „Islamischer Staat“ kontrollierte. Hätte Israel auf seine Militärschläge 1981 und 2007 verzichtet und sich dem Druck der Weltöffentlichkeit gebeugt, hätten sich unter Umständen IS-Terroristen mit Plutonium bewaffnen können.
Dies zeigt: Israels präventive Angriffe haben schon in der Vergangenheit Alptraumszenarien verhindert. Dennoch ist auch jetzt wieder von Verstößen gegen das internationale Recht die Rede.
Nicht minder absurd ist die Behauptung, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe mit seinem Einsatzbefehl „die Flucht nach vorn“ angetreten, um von den Debakeln des Gaza-Kriegs abzulenken und sich weiter an der Macht zu halten. Bei diesem Argument wird geflissentlich übersehen, dass seit mehr als 30 Jahren sämtliche israelische Regierungen vor der iranischen Atomwaffe gewarnt haben.
Zwar besteht die Gefahr, dass über das Schicksal der von der Hamas entführten Geiseln noch weniger als bisher berichtet wird; zwar müssen die Diskussionen über die Dilemmata und Fehler der israelischen Kriegführung in Gaza weitergehen; dies alles aber steht auf einem anderen Blatt.
Zunächst gilt, was Israels Oppositionsführer und Netanyahu-Kritiker Yair Lapid am Tag des Angriffs so formulierte: „Wenn es um die Sicherheit des Volkes Israel vor unseren Feinden geht, sind wir ein Volk mit einer gemeinsamen Mission. Die Opposition wird jede erdenkliche Unterstützung leisten, um den Erfolg dieser Mission sicherzustellen.“
Die Originalveröffentlichung findet sich hier.
Bild: Kampfjets der israelischen Luftwaffe auf dem Weg nach Iran, Juni 2025. Quelle: IDF Spokesperson’s Unit, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=168814781