Vor 40 Jahren: Botschaftsbesetzung in Teheran

Wie der Krieg gegen den Westen begann

Von Matthias Küntzel

Mena-Watch, 9. und 13. November 2019

Am Vormittag des 4. November 1979 brachen 400 mit Schlagstöcken und Ketten bewaffnete Khomeini-Anhänger das Tor zur amerikanischen Botschaft in Teheran auf, stürmten das Gelände und nahmen alle 66 anwesenden Botschaftsmitarbeiter als Geiseln. Die Geiselhaft, die damals keiner der mit Scheinerschießungen und Schlägen traktierten Amerikaner zu überleben glaubte, dauerte 444 Nächte und Tage. Im Januar 1981 ließ man die Gefangenen frei.

Vordergründig diente die Geiselnahme dem Ziel, die Auslieferung des Schah zu erzwingen, der sich vorübergehend in den USA in ärztlicher Behandlung befand. Dem Revolutionsführer ging es jedoch um mehr. Die Botschaftsbesetzung laufe, so Khomeini in einer Rundfunkansprache von November 1979, auf einen „Krieg zwischen Muslimen und Heiden“ hinaus. „Die Muslime müssen sich erheben in diesem Kampf, der eher ein Kampf zwischen den Ungläubigen und dem Islam als zwischen Iran und Amerika ist, zwischen allen Ungläubigen und den Muslimen. Die Muslime müssen sich erheben und in diesem Kampf triumphieren.“[1]

Die Botschaftsbesetzung als Auftakt eines großen religiösen Kriegs: Es war eben diese Zielsetzung, die die Wahl des Mittels erklärt. Eine Geiselnahme von Botschaftsangehörigen hatte es in der neueren Geschichte der Diplomatie bis dahin nicht gegeben. Es war selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges undenkbar, dass der Kreml die amerikanische Botschaft in Moskau überfällt und deren Mitarbeiter als Geiseln nimmt, wäre dies doch einer Kriegserklärung nicht nur an die USA, sondern an die Adresse der gesamten zivilisierten Welt gleichgekommen. Das freie Geleit des Gesandten ist seit alters her die Grundvoraussetzung für internationale Zusammenarbeit. Wer hiergegen verstößt, setzt Krieg an die Stelle von Diplomatie und Chaos an die Stelle des internationalen Rechts.

Insofern machte Khomeinis ausdrückliche Zustimmung zur Geiselnahme schon 1979 klar, dass dem Westen mit dem Islamismus ein anderer Gegner als die Sowjetunion erwachsen war, ein Gegner, der das nach 1945 geschaffene System der internationalen Beziehungen nicht nur nicht anerkennt, sondern als „jüdisch-christliche Verschwörung“ (Khomeini) bekämpft.

Zur „Allmacht“ der CIA

Im Februar 1979 hatte die von Khomeini angeführte iranische Revolution die Flucht des Schahs und dessen Odyssee über Marokko, Ägypten, die Bahamas, Mexiko bis nach Panama erzwungen. Ende Oktober 1979 erteilten die USA dem schwer krebskranken Schah ein zeitlich befristetes Aufenthaltsvisum, verbunden mit der Erlaubnis, sich am New Yorker Cornell Medical Center untersuchen zu lassen. Mitte Dezember wurde Reza Palehvi zurück nach Panama verlegt; Ende Juli 1980 starb er in Kairo.

US-Präsident Jimmy Carter hatte im Oktober 1979 den Schah längst abgeschrieben und hoffnungsfrohe Signale der Kooperationsbereitschaft an das neue Regime ausgesendet. Die Besetzer aber sahen in der Einladung des Schah den letzten Beweis für die Putschpläne der USA. Sie waren davon überzeugt, mit der amerikanischen Botschaft ein Umsturzzentrum und ein Spionagenest von Orwell’scher Dimension ausgehoben zu haben. Hierbei spielte nicht nur die Erinnerung an den 1953 von der CIA unterstützten Sturz des iranischen Nationalisten Mossadeq eine Rolle, sondern, mehr noch, die obsessive Vorstellung, wonach die USA allmächtig und für jedes Übel der Welt verantwortlich seien.

„Es gab keine unschuldigen Erklärungen“, berichtete später eine der Geiseln. Jede noch so harmlose Information eines Botschaftsangehörigen erhielt im Kontext jener dämonisierenden Weltsicht ihren düster-konspirativen Sinn und selbst den Digitaluhren und Kugelschreibern der Botschaftsmitarbeiter wurden Eigenschaften zugeschrieben, wie man sie sonst nur aus James-Bond-Filmen kennt.

Selten freilich war der Kontrast zwischen Zuschreibung und Realität grotesker als Ende der Siebzigerjahre in Teheran. Zum Zeitpunkt der Botschaftsbesetzung verfügte die Iran-Abteilung der CIA über vier Amerikaner, von denen keiner Farsi sprach. Auch in den Jahren zuvor hatte die CIA im Iran nicht aktiv spioniert. So meldete sie noch im August 1978 – sechs Monate vor der Revolution! – dass der Iran „weder in einem revolutionären, noch in einem prärevolutionären Zustand“ sei. Stur tat man die Geheimdienstberichte aus Frankreich und aus Israel, die den absehbaren Sturz des Schah korrekt prognostizierten, als „alarmistisch“ ab. [2]

Diese Neigung zum wishful thinking, setzte sich nach der Revolution von Februar 1979 fort. Während Teheran die USA zunehmend durch die Brille seiner paranoiden Wahnvorstellungen betrachtete und lautstark als Feind Nr. 1 dämonisierte, verstopfte sich Washington die Ohren und setzte eine rosarote Brille auf. „Wir kommen auch mit Khomeini gut klar!“ – so lautete im Sommer 1979 die Devise. Besonders das akademische Milieu verehrte ihn als eine Art Sozialreformer in Priesterkluft. Doch auch der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Andrew Young, bezeichnete den Revolutionsführer „als eine Art Heiligen“ während ihn Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski als eine Barriere gegen die Sowjetunion empfahl. Geschäftsleute wurden aufgefordert, im Iran zu investieren, Kongressmitgliedern wurde nahegelegt, sich mit kritischen Kommentaren über die Lage im Iran zurückzuhalten und kritische Journalisten, die dem Trend nicht folgen mochten, an den Pranger gestellt, wie die folgende von Michael Ledeen und William Lewis 1981 aufgezeichnete Episode illustriert:

Als drei amerikanische Zeitschriften ausführliche Auszüge aus Khomeini-Texten veröffentlichten, reagierten das State Department und die CIA außerordentlich verstimmt und bestürzt. Die Artikel wiesen nach, dass Khomeinis Bücher ihn als eine radikal antiwestliche, antiamerikanische, antizionistische und antisemitische Person präsentieren, als eine absolut unattraktive Alternative zum Schah. Doch selbst noch im Februar 1979, als Khomeini sein Pariser Exil verließ und im Triumph nach Teheran zurückkehrte, erklärte [der Iran-Verantwortliche im State Department] Henry Precht, ... dass die Zeitungsberichte äußerst irreführend seien. Er ging so weit, den Kolumnisten der Washington Post, Stephen Rosenfeld, zu beschuldigen, bewusst Auszüge aus einem Buch [Khomeinis] zu verbreiten, dass nach Prechts Überzeugung bestenfalls eine von Studenten erstellte Notizsammlung oder schlimmstenfalls eine Fälschung war. Precht war alles andere als ein Einzelfall; die Überzeugung, dass Khomeinis Bücher entweder Fälschungen seien oder übertrieben oder missverstanden würden, war weit verbreitet.[3]

So verteidigten das State Department und die CIA ihr Trugbild von Khomeini gegen alle Anfechtungen der Realität. Bemerkenswerterweise wandte sich später die CIA mit der Bitte an Rosenfeld, ihr die Ausgabe des von ihm zitierten Buches auszuleihen, da es bei der Agency nicht vorhanden sei. Soviel vom allwissendsten und gefährlichsten Geheimdienst der allwissendsten und gefährlichsten Regierung der Welt.

Wie reagierte Washington auf die Geiselnahme?

Für die USA war die Geiselnahme ein Schock. Gleichwohl versuchte Washington zu beschwichtigen. In einem ersten Schritt schickte US-Präsident Carter mit Ramsey Clark und William Miller zwei Männer nach Teheran, die als hartnäckige Gegner der amerikanischen Schahpolitik bekannt waren. In ihrem Gepäck befand sich ein von Präsident Carter unterzeichneter und an Khomeini adressierter Brief.

Dieser enthielt zunächst die Versicherung, dass der Schah sich nur für die Dauer seiner Erkrankung in den USA aufhalte sowie das Angebot, iranischen Stellen einen Zugang zu den Ärzten des Schahs zu verschaffen. Zweitens erkannte Carter die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Irans ausdrücklich an und zeigte sich zur Wiederaufnahme der Lieferung militärischer Hilfsgüter bereit. Drittens bat er in freundlichen Worten („ich bitte Sie, alle Amerikaner unverletzt freizulassen“) um die Beendigung des Geiseldramas und plädierte für den Beginn eines Dialogs:

Ich habe beide Männer [Miller und Clark] gebeten, sich mit Ihnen zu treffen und von Ihnen Ihre Perspektive hinsichtlich der Ereignisse im Iran sowie der Probleme, die zwischen unseren Ländern aufgetaucht sind, zu erfahren. Das amerikanische Volk wünscht sich Beziehungen zum Iran, die auf Gleichheit, gegenseitigem Respekt und Freundschaft basieren.[4]

So also sah die erste Kontaktaufnahme des amerikanischen Präsidenten mit dem Führer der ersten islamischen Revolution aus. Niemand wird den Tonfall dieses Schreibens als provokant bezeichnen können, zumal vor dem Hintergrund eines Gewaltaktes, der unter anderen Umständen als Kriegserklärung bewertet und beantwortet worden wäre.

Carters Goodwill-Geste scheiterte jedoch schon im Ansatz. Khomeini verweigerte William Miller und Ramsey Clark die Einreise in den Iran. Auch der amerikanische Maßnahmenkatalog, der nun folgte − Ausweisung einiger iranischer Diplomaten sowie aller illegal in die USA eingereisten Iranerinnen und Iraner, Aussetzung der Öleinfuhren aus Iran, Einfrieren des in amerikanischen Banken gelagerten iranischen Vermögens – machte keinen Eindruck auf Teheran.

Als nächstes ließ sich Präsident Carter über französische Mittelsmänner auf langwierige Verhandlungen mit dem iranischen Präsidenten Abolhassan Bani-Sadr und dessen Außenminister Sadeq Ghotbzadeh ein – zwei wichtige, aber im Vergleich zu Khomeini machtlose Politiker. Nun begann ein eigentümliches Prozedere, das Mark Bowden in seinem 700-seitigen Standardwerk über die Botschaftsbesetzung so beschreibt: „Carter beißt sich an einem Vorschlag fest, den ein hohes iranisches Regierungsmitglied unterbreitet hat und willigt in kleine, aber demütigende Zugeständnisse ein, bevor Khomeini dem Ganzen in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung macht.“[5]

Erst am 7. April 1980 – am 154. Tag der Geiselnahme! – brach Carter die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab und bereitete Wirtschaftssanktionen vor. Zogen Deutschland und die Europäische Gemeinschaft hierbei mit?

Westdeutschland lässt die USA im Stich

Eigentlich hätte die dramatische Geiselnahme der Diplomaten und Botschaftsangestellten einen internationalen Schulterschluss mit den USA zur Folge haben müssen, war doch die Welt mit einer neuen Form des Irrationalismus und einem Gegner konfrontiert, der das 1945 geschaffene System der internationalen Beziehungen als Werk des Satans bekämpft. Gleichwohl konnte von internationaler Solidarität keine Rede sein. In Deutschland war man eher froh, dass es allein Amerika traf. „Die Deutschen haben (in Teheran) nichts zu leiden“, vermerkte in der ersten Woche der Geiselnahme die FAZ. „Im Gegenteil, ihre Zusammenarbeit wird gesucht.“ Wenn man allerdings „auf einen besonders nervösen bewaffneten Revolutionswächter“ träfe, „könnte man einmal erschossen aufwachen, weil man nicht schnell genug sagen konnte, dass man Deutscher ist.“[6] In der zweiten Woche der Geiselnahme gab die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer bekannt, dass „Geschäftsreisen nach Teheran durchaus möglich (sind), auch die Teilnahme an einer Nahrungsmittel-Fachausstellung Ende November.“[7] Manche Kommentatoren zeigten sich von der Geiselnahme geradezu fasziniert. Im Dezember 1979 klang dies bei Dieter Wild, dem Leiter der Auslandsredaktion des „Spiegel“ so:

Nun kam in Persien der Ajatollah Ruholla Chomeini an Deck, und seither bejammern wir, was doch auch imponierend ist: Die Energien, die er freisetzte, die Herausforderungen an die übermächtigen und doch ohnmächtigen USA, der Aufstand aus dem Geist der Religion gegen die materielle Welt, und sei sie auch unsere. Ja, Chomeini musste wohl her, um dem Westen bewusst zu machen … dass die Wertekrise des Abendlandes, USA inklusive, irgendwann zu einem irrationalen Ausbruch auch in diesen gemäßigten Breiten führen kann.[8]

Am 14. Januar 1980 – im dritten Monat der Geiselnahme – legten die USA im UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf vor, der die Mitgliedsstaaten verpflichten sollte, „die Lieferung aller Gegenstände, Grundstoffe und Erzeugnisse, mit Ausnahme von Nahrungsmitteln und Arzneien“ an im Iran betriebene Unternehmen zu verhindern.[9] Der Vorstoß scheiterte am Veto Moskaus. Die einzige weitere Gegenstimme kam damals von einem nicht-ständigen Mitglied des Sicherheitsrats: Der DDR.

Europa verweigert Sanktionen

Nach diesem Scheitern lud US-Außenminister Cyrus Vance im April 1980 die Botschafter der engsten westlichen Verbündeten ins State Department und forderte sie zur Unterstützung der amerikanischen Sanktionsbemühungen auf. „Alles andere … wäre Verrat an den Geiseln und Legalisierung der Terrorismus“, kommentierte die New Yorker Zeitung Daily News.[10] Es sei „von entscheidender Bedeutung“, bestätigte US-Präsident Jimmy Carter, „dass auch unsere Verbündeten … Opfer bringen.“[11]

Im gleichen Monat warnte jedoch auch der iranische Präsident Bani-Sadr: Falls die Europäer „auf die USA hören, werden sie von uns weder Erdöl bekommen, noch werden wir von ihnen etwas kaufen.“[12] Dieser Spaltungsversuch hatte Erfolg. So winkten beim Thema Sanktionen selbst die engsten Freunde Amerikas ab: „Englands Antwort war halbherzig“, schreibt Mark Bowden, „Kanada wollte sich erst mal mit anderen Nationen absprechen, Japan erklärte, die Idee ,sorgfältig studieren’ zu wollen, Westdeutschland lehnte offen ab, Dänemark gab zu verstehen, dass es „zögere“, die Verbindungen abzubrechen und Italien bezeichnete die Strafmaßnahme als einen Fehler.“[13] Alle wollten ihre Schäfchen ins Trockene bringen und ließen dafür nicht nur die USA, sondern auch das Völkerrecht im Stich.

Weitere Monate der Geiselhaft gingen in die Lande, bevor die Europäische Gemeinschaft am 17. Mai 1980 – dem siebten Monat und dem 195. Tag der Geiselnahme – erstmals Sanktionen vereinbarte. Das Ergebnis langwieriger Vorgespräche glich jedoch einer Parodie: Das hier beschlossene Embargo galt nur für jene Wirtschaftsverträge, die nach der Botschaftsbesetzung abgeschlossen waren. Damit blieb das Gros der Handelsbeziehungen ungestört.

Für die Bundesrepublik wurde selbst diese EG-Vereinbarung weiter verwässert: Man kündigte die zwischen November 1979 und Mai 1980 getätigten Geschäftsvereinbarungen nicht auf, sondern legte sie der dafür zuständigen Bundesbehörde zur erneuten Genehmigung vor. „Welche dieser Verträge den amtlichen Genehmigungsstempel erhalten und welche verboten werden, dies konnte der Wirtschaftsminister seinen Kabinettskollegen und den Exportmanagern noch nicht verraten“, spottete der „Spiegel“. „Darüber werde noch mit den EG-Partnern verhandelt.“[14]

Man muss somit Bowden beipflichten, wenn er schreibt: „Der Weltgemeinschaft ist vorzuwerfen, auf die Beleidigung [d.h. die Geiselnahme] nicht adäquat reagiert zu haben. Abgesehen von Erklärungen, fanden sich die Vereinten Nationen und die meisten unserer Verbündeten damit ab, die besetzte amerikanische Botschaft ihrem Schicksal zu überlassen.“[15]

Dies trifft besonders für Westdeutschland zu. Die BRD war 1979 mit Exporten von 2,3 Milliarden DM der wichtigste Lieferant Irans vor den USA (970 Mio. $). Gleichzeitig waren die westdeutschen Erdölbezüge aus dem Iran im ersten Quartal 1980 – zeitgleich mit der Geiselnahme! – um etwa 50 Prozent, gemessen am Vorjahr, gestiegen.[16]

Zwar kamen die Geiseln am 20. Januar 1981 schließlich frei. Doch war dies weder einer weltweiten oder auch nur alliierten Solidarität geschuldet noch einer bestimmten amerikanischen Politik. Die Geiseln kamen frei, weil man in Teheran ihrer überdrüssig war und Saddam Husseins Krieg gegen den Iran, der im September 1980 begonnen hatte, andere Prioritätensetzungen erzwang. Doch selbst die Freilassung der Geiseln inszenierte Khomeini als Triumph: Sie durften den Iran erst an dem Tag verlassen, an dem auch Jimmy Carter das Weiße Haus verließ. Somit hatte der islamistische Staat seinen ersten außenpolitischen Erfolg errungen: Er hatte die internationale Staatengemeinschaft beispiellos provoziert und kam ungeschoren davon.

Von Teheran nach Beirut

Nach der islamischen Revolution von Februar 1979 hatte sich die amerikanische Regierung hoffnungsfroh um einen modus vivendi mit dem neuen Regime bemüht. Es war die Botschaftsbesetzung, die im Verhältnis zwischen dem Westen und dem Islam den Wendepunkt markiert. Sie leitete eine Entwicklung ein, die sich in den schiitischen Attentaten der Achtzigerjahre niederschlug: Am 18. April 1983 sprengten vom Iran unterstützte Selbstmordattentäter die amerikanische Botschaft im Libanon in die Luft (50 Tote, darunter 17 Amerikaner), am 23. Oktober 1983 zerstörten Islamisten die Hauptquartiere der amerikanischer und französischer Soldaten in Beirut (241 getötete Amerikaner, 58 getötete Franzosen), am 19. Januar 1984 wurde auch der Präsident der Amerikanischen Universität in Beirut, Malcolm Kerr, von Islamisten ermordet.[17] Als Khomeini im Februar 1984 den fünften Jahrestag seiner Revolution feierte, zogen sich die erneut gedemütigten USA auch aus dem Libanon zurück.

Die Anschläge von Beirut konfrontierten die Welt mit der Wirkungsmacht einer Waffe, die 1979 noch gänzlich unbekannt gewesen ist: Das islamisch motivierte Selbstmordattentat. Nur wenige Jahre später wurde der Islamismus durch das Ende der Sowjetunion weiter gestärkt. „Seit dem Fall des Marxismus hat der Islam ihn ersetzt“, prahlte Ahhmad Khomeini, der Sohn des Revolutionsführers. Während Khomeini 1979 noch eine Randerscheinung des Kalten Kriegs gewesen war, ist der Islamismus seither (und besonderes seit dem 11. September) zum wichtigsten Widersacher Israels und des Westens geworden.

1980 begannen die deutsche und die amerikanische Iranpolitik getrennte Wege zu gehen. Während Washington sein nationales Embargo gegen die Verursacher des Terrors allmählich verschärfte, heizte Deutschland, dessen Diplomaten und Soldaten weder gekidnappt noch in die Luft gesprengt wurden, den Iranhandel mit immer großzügigeren Hermes-Bürgschaften an.

Auch heute noch knüpft der islamistische Iran – mittlerweile als Quasi-Atommacht – an die Konfrontation 1979 an. Dies ist nicht nur daran erkennen, das alljährlich der 4. November, der Tag des Beginns der Geiselnahme, als „Nationalfeiertag für den Kampf gegen die globale Arroganz“ gefeiert wird. Sondern es werden auch heute der UN-Sicherheitsrat und dessen Beschlüsse für null und nichtig erklärt; wie damals, werden auch heute Strafmaßnahmen des Westens verlacht; wie damals, wird auch heute Europa gegen die USA ausgespielt.

Als es 1980 um das Verbrechen gegen amerikanische Staatsbürger ging, ließen die europäischen Nato-Partner trotz vieler wortreicher Beteuerungen Amerika im Stich. Werden sie dann, wenn es um Sein oder Nichtsein des jüdischen Staates geht, auch Israel im Stich lassen?

Teil I dieses Aufsatzes wurde am 9. November 2019 und Teil II am 13. November 2019 auf mena-watch.com veröffentlicht.
Die Originalveröffentlichungen finden sich hier und hier.

[1] Chomeini spricht von „Krieg zwischen Muslims und Heiden“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 24. November 1979.

[2] Michael Ledeen & William Lewis, Debacle. The American Failure in Iran, New York, 1981, S. 132 und 126.

[3] Ledeen, a.a.O., S. 129f. Es handelte sich bei dem Buch, das Precht für eine Fälschung hielt, um Khomeinis 1970 erschienenes Hauptwerk „Der islamische Staat“.

[4] Mark Bowden, Guests of the Ayatollah. The First Battle In America’s War With Militant Islam, New York 2006, S. 125. Hier ist der Wortlaut des Briefes auszugsweise dokumentiert.

[5] Bowden, a.a.O., S. 401.

[6] Karl-Alfred Odin, Iran zwischen Lächeln und Gewalt, in: FAZ, 12. November 1979.

[7] Klaus Broichhausen, Selbstverständliche Solidarität, in: FAZ, 15. November 1979.

[8] Dieter Wild, Chomeini soll leben, in: Spiegel 49/1979, 3.12.1979.

[9] Keesing’s Archiv der Gegenwart (AdG), 14.1.1980, S. 23 440.

[10] Die Amerikaner sind wundgescheuert, in: Der Spiegel, 16/1980, 14. 4.1980.

[11] Ebd.

[12] AdG, 11.4.1980, S. 23 449.

[13] Bowden, a.a.O., S. 407.

[14] Spiegel 22/1980, 26. Mai 1980, S. 26.

[15] Bowden, a.a.O., S. 595.

[16] AdG, 8. April 1980, S. 23449.

[17] Die Reagan-Administration hatte die US-Marines im September 1982 im Libanon stationieren lassen, um (nach dem gegen die PLO gerichteten Einmarsch Israels in den Libanon im Juni 1982) im Namen der UN den Rückzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Libanon und die Ausweitung der Kontrolle der libanesischen Regierung auf das ganze Land sicherzustellen. Vgl. Christos P. Ioannides, America’s Iran. Injury and Catharsis, Lanham, New York, London, 1984, S.130.

Bild: Zwei US-amerikanische Geiseln während der Botschaftsbesetzung in Teheran 1979 · Author: unknown · Source: revolution.shirazu.ac.ir via commons.wikimedia.org · Public domain / CC BY-SA 4.0