Nordkoreas Atombombe und der Iran

Immer offenkundiger tritt Teheran in die Fußstapfen Pjöngjangs

Von Matthias Küntzel

www.mena-watch.com (Wien), 15. Dezember 2017

Am Morgen des 29. November 2017 erklärte sich Nordkorea nach dem erfolgreichen Abschuss einer Interkontinentalrakete zur Atommacht. Während der anschließende  Jubel in Pjöngjang kein Ende nehmen wollte, zeigte sich der Rest der Welt empört – mit einer vielsagenden Ausnahme: In Teheran lachte man sich ins Fäustchen, war doch der gelungene Raketenstart auch ein Erfolg des Iran.

Dies jedenfalls legt ein Artikel nahe, den Hans Rühle, der ehemalige Leiter des Planungsstabs im Bundesverteidigungsministerium, im Oktober dieses Jahres in der „Welt“ veröffentlichte. Er zitiert darin aus einem Dossier des US-Finanzministeriums von Anfang 2016:

„In den letzten Jahren reisten iranische Raketenfachleute der Shahid Hemmat Industrial Group nach Nordkorea, um an der Entwicklung eines Triebwerks mit 80 Tonnen Schub, das die nordkoreanische Regierung betreibt, mitzuarbeiten.“[1]

Diese Aussage sei „sensationell“, schreibt Rühle: „Der angestrebte Schub von 80 Tonnen übertrifft die im Juli [2017] getestete Hwasong-14 [Rakete] um das Doppelte und bietet damit beiden Ländern die Grundlage für eine echte Interkontinentalrakete.“[2]

Es war aber eben jene von Iran und Nordkorea offenkundig gemeinsam entwickelte Hwasong-15 Rakete, die am 29. November die Welt aufschreckte. Während die Hwasong-14 eine Reichweite von 10.000 km besitzt, ist die Hwasong-15 mit 13.000 km die bislang leistungsfähigste Interkontinentalrakete und geeignet, das ganz amerikanische Festland zu treffen.[3]

Gegen Israel und die USA

Seit Khomeinis Revolution ist Pjöngjang mit Teheran in Freundschaft verbunden. Noch während des iranisch-irakischen Kriegs (1980 – 1988) wechselte Nordkorea, das ursprünglich den Irak unterstützt hatte, die Seite und lieferte Raketen an Iran. Nach dem Wegfall der Sowjetunion stiegen die Mullahs zum bevorzugte Öl- und Devisen-Lieferanten Nordkoreas auf.  Als Gegenleistung halfen die Koreaner bei Teherans Raketen- und Atomwaffenprogramm.[4]

Obwohl sich die Staatsideologien der Stalinisten und der Islamisten beträchtlich unterscheiden, ist ihnen der unversöhnliche Hass auf Israel und die USA gemein. So gehört Pjöngjang seit Ende der Achtzigerjahre zu den wichtigsten Unterstützern der Hisbollah, die einige ihrer führenden Kader in Nordkorea ausbilden ließ.  Finanziert von Teheran liefert das nordkoreanische Regime Raketen, Granaten und Handwaffen an die schiitische Miliz und bildet sie im Bau von Tunneln aus.[5]

Im Syrien-Krieg hofierte Nordkorea den syrischen Diktator Assad und erntete dafür Dank: Im Sommer 2015 weihte dessen Regime einen 9.000 Quadratmeter großen Kim- Il-Sung-Park in Damaskus ein.[6] Die Kim-Dynastie versorgte Assad nicht nur mit Raketen sondern lieferte ihm heimlich auch einen Atomreaktor, der für die Produktion von Waffenplutonium vorgesehen war. Welch Glücksfall für die Region und für die Welt, dass es Israel im September 2007 gelang, diesen Reaktor kurz vor seiner Inbetriebnahme zu zerstören!
 
Gemeinsame Raketen- und Atomwaffenentwicklung

Wer Atommacht werden will, braucht erstens das Spaltmaterial (Plutonium oder Waffenuran), zweitens den Atomsprengkopf und drittens die Trägerrakete, die den Sprengkopf ins Ziel bringen soll.

Im letztgenannten Bereich ist die Zusammenarbeit zwischen Teheran und Pjöngjang so eng, dass das Wall Street Journal von einem einzigen Raketenentwicklungsprogramm mit zwei Standorten spricht: einen im nördlichen Asien, den anderen im Mittleren Osten.[7]
Seit 1990 sollen Hunderte von Spezialisten aus Nordkorea die iranische Raketenentwicklung unterstützt haben und Dutzende Iraner bei Raketentests in Nordkorea zugegen gewesen sein.[8]

Ein Bericht des Congressional Research Service aus den USA hat die Raketenzusammenarbeit beider Länder in drei Phasen unterteilt:  Zunächst lieferte Nordkorea ballistische Raketen an den Iran und erhöhte damit dessen Fähigkeiten in der Raketenforschung. In einem zweiten Schritt benutzte Teheran die Lieferungen und Dienstleistungen aus Nordkorea, um sich bei der Produktion von Mittelstreckenraketen selbstständig zu machen. Drittens erwarb der Iran nordkoreanische Komponenten für Weltraumraketen und konnte damit seine Fähigkeit, Interkontinentalraketen herzustellen, beträchtlich erweitern. Inzwischen habe Teheran Nordkorea bei der Raketenforschung überholt, heißt es in diesem Bericht, doch sei es beim Raketenbau auf gewissen Materialien aus Nordkorea weiter angewiesen.[9] Diese Einschätzung des Congressional Research Service stützt die These, dass Teheran bei der Entwicklung der Hwasong-15-Interkontinentalrakete beteiligt war.

Die Mauern der Geheimhaltung sind jedoch weiterhin hoch. Dies gilt besonders für die Kooperation auf dem Gebiet der Atomwaffen.

Als sicher gilt, dass Ali Akbar Salehi, der Chef der iranischen Atombehörde mit dabei war, als Nordkorea und Iran im September 2012 ein Scientific Cooperation Agreement unterzeichneten.[10] Einen Monat später bekräftigte die iranische Nachrichtenagentur IRNA in einer offiziellen Mitteilung: „Iran und Nordkorea verpflichten sich zur einer Zusammenarbeit beim Atomprogramm des Iran.“[11]

Schon beim ersten Atomtest Nordkoreas von Oktober 2006, der auf einer Plutoniumbombe basierte, sollen dem Wall Street Journal zufolge iranische Spezialisten vor Ort gewesen sein.[12] Auch beim Test der mutmaßlich ersten Uranbombe Nordkoreas im Februar 2013 war angeblich Mohsen Fakhridazeh, der oberste iranische Atomwaffenforscher, mit dabei.[13]

Im Mai 2015 berichtete der „Nationale Widerstandsrat Iran“, dass sich Ende April 2015 ein halbes Dutzend nordkoreanischer Atomwaffen- und Raketenspezialisten in einem militärischen Forschungszentrum nahe Teheran aufgehalten hätten; es soll der dritte Besuch einer solchen Expertengruppe gewesen sein.[14]

Eindeutig beweisen lassen sich diese Informationen bisher nicht; ob und wie sich Iran und Nordkorea bei der Atomwaffenentwicklung gegenwärtig helfen, ist unbekannt. Der Atomdeal, den die „Fünf plus eins“- Mächte im Juli 2015 mit Iran vereinbarten, verbietet diese Zusammenarbeit nicht. Eine abgeschottete Gesellschaft wie die in Nordkorea, böte für Iran die Gewähr, Experimente mit spaltbarem Material mit geringem Entdeckungsrisiko durchzuführen. Gut möglich also, dass sich Nordkorea den iranischen Atomwaffenspezialisten als Ausweichstandort anbietet und gute Kasse damit macht.
 
EU im Schulterschluss mit Iran

Während der internationalen Krise, die dem Abschuss der Hwasong-15-Rakete folgte, stand Teheran treu zu Pjöngjang. Nordkorea habe angesichts der „kriegstreiberischen Politik“ der USA keine andere Wahl, als sich zu wehren, zitierte die iranische Nachrichtenagentur Fars am 1. Dezember 2017 den Vize-Chef des iranischen Militärs, Massoud Jazayeri.[15]  

Es ist befürchten, dass mit dem Erfolg der Hwasong-15 gleichzeitig die Fähigkeit Irans gewachsen ist, eigene Interkontinentalraketen zu bauen und den Rest der Welt damit zu bedrohen. Schon heute verstößt  das iranische Regime mit seinen wiederholten Abschüssen nuklear bestückbarer Mittelstreckenraketen gegen Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats.

Um zu verhüten, dass Teheran zu hundert Prozent in die Fußstapfen Nordkoreas tritt, ruft Washington die Europäer zu gemeinsamen Sanktionen gegen Irans Raketenentwicklung auf. Während sich Frankreich „sehr besorgt“ über Irans Raketenprogramm zeigt und dafür plädiert, den Einsatz von Druckmitteln zu erwägen,  lehnt die Bundesregierung neue Sanktionen, die den deutsch-iranischen Handel beeinträchtigen könnten, kategorisch ab.[16] Damit treibt Deutschland die Spaltung des Westens – ein vorrangiges Ziel Teherans! – voran.

Die iranischen Machthaber haben allen Grund, sich erneut ins Fäustchen zu lachen  – ähnelt doch die fortgesetzte Hinnahme der Provokationen Teheran einem Selbstmord auf Raten: Anders als die Stalinisten in Pjöngjang treibt die Islamisten in Teheran eine revolutionären und antisemitischen Vision, die nicht nur Israel, sondern den Westen insgesamt bedroht.

[1] Zitiert nach: Hans Rühle, Nordkorea und Iran: Die unheimliche Allianz der Bombenbauer, in: Die Welt, 29. Oktober 2017
[2] Ebd.
[3] Patrick Welter, Eine Rakete, die das gesamte amerikanische Festland erreicht?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. November 2017.
[4] Samuel Ramani, The Iran-North Korea Connection, in: The Diplomat, 20. April 2016.
[5] Bart Marcois, The Hezbollah Connection to North Korea, opslens.com, 20. November 2017. Siehe auf: https://www.opslens.com/2017/11/20/hezbollah-connection-north-korea/ .
[6] Fabian Kretschmer, Kim setzt auf Assad, in: Tageszeitung, 7.9.2015.
[7] Gordon G. Chang, A Missile Shot for Iran, in: Wall Street Journal, 6. April 2009
[8] Chang, a.a.O. sowie Lt. Col. (ret.) Dr. Refael Ofek und Lt. Col. (ret.) Dr. Dany Shoham, Iran Is Progressing Towards Nuclear Weapons Via North Korea, BESA Center Perspectives Paper No. 415, 28. Februar 2017.
[9] Paul K. Kerr, Steven A. Hildreth, Mary Beth D. Nikitin, Iran-North Korea-Syria Ballistic Missile and Nuclear Cooperation, Congressional Research Service 7-5700, 26. Februar 2016, S. 4.
[10] Anthony H. Cordesman, Are North Korea and Iran Cooperating to Build Long-Range Weapons of Mass Destruction? An Assessment, auf: www.tabletmag.com, 26. Juni 2017 sowie Ofek und Shoham, a.a.O. .
[11] N.Korean Supreme People’s Council speaker asks for broader ties with Iran, IRNA, 25. Oktober 2012, auf: http://www.irna.ir/en/News/80386048/Politic/N._Korean_Supreme_People%E2%80%99s_Council_speaker_asks_for_broader_ties_with_Iran
[12] Gordon G. Chang, a.a.O. .
[13] Gordon G. Chang, Does Iran Have Secret Nukes in North Korea?, auf: Daily Beast, 29. März 2015 sowie Ofek und Shoham, a.a.O. .
[14] Tamar Pileggi, North Korea said to be helping Iran develop ballistic missiles, The Times of Israel, 28. Mai 2015, sowie Nordkorea hilft Iran, in: FAZ, 29. Mai 2015.
[15] Rückendeckung für Nordkorea aus dem Iran, in: Handelsblatt, 1. Dezember 2017.
[16] U.S. would Welcome New EU Sanctions on Iran: Official, in: New York Times, 14. November 2017 sowie Jon Irish, Despite EU caution, France pursues tough line on Iran missile program, Reuters, 15. November 2017.

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