Internationale Parlamentarierkonferenz gegen Antisemitismus in Ottawa

Warum glänzen deutsche Politiker durch Abwesenheit?

Von Matthias Küntzel

Hamburg, den 9. Dezember 2010

„We must combat antisemitism as a global phenomenon.“ Dieser Satz des kanadischen Premierministers Stephen Harper grub sich tief in mein Gedächtnis ein.

Er gehörte zu der Ansprache, die Stephen Harper am 8. November 2010 vor den 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Ottawa Conference on Combating Antisemitism hielt und fiel mir besonders deshalb auf, weil ich ihn bislang von einem Regierungsmitglied in Deutschland nicht gehört hatte.

Wie sehr sich Deutschland zurückhält, wenn es um den „globalen Antisemitismus“ geht, wurde in Ottawa erneut manifest. An der Konferenz, die vom 7. – 9. November 2010 in der kanadischen Hauptstadt stattfand und Harpers Rede mit Standing Ovations feierte, nahmen 200 Parlamentarier und Regierungsbeamte aus 50 Ländern von Kongo bis Costa Rica und von Albanien bis Kasachstan sowie 50 Antisemitismusexperten teil.

Die Anzahl der teilnehmenden deutschen Parlamentarier und Regierungsbeamte betrug Null. Aus der Bundesrepublik waren lediglich der frühere Bundestagsabgeordneten Gert Weisskirchen, der Berliner Experte Robin Stoller (International Institute for Education and Research on Antisemitism) sowie der Autor dieser Zeilen angereist.

Der internationale Antisemitismus, erklärte Harper, sei zwar so primitiv wie immer, in seinen Methoden jedoch ausgeklügelter als je zuvor: „Er zielt auf das jüdische Volk, indem er auf die jüdische Heimstätte, Israel, als die Quelle von globalem Unrecht und Streit zielt. Und er macht sich hierbei, perverserweise, die Sprache der Menschenrechte zu eigen.“

Vor diesem Hintergrund sei die Erinnerung an den Holocaust „nicht einfach ein Akt historischer Anerkennung. Sie muss gleichzeitig eine Einsicht und eine Verpflichtung sein. Die Einsicht, dass dieselben Bedrohungen heute existieren, und die Verpflichtung und besondere Verantwortung, diese Bedrohungen zu bekämpfen.“

Dann folgte die Passage seiner Rede, die auch außerhalb von Kanada in die Schlagzeilen kam: „Es ist leicht, in den Vereinten Nationen oder auf irgend einem anderen internationalem Forum in die antiisraelische Rhetorik mit einzustimmen und so zu tun, als sei man lediglich unvoreingenommen. Es ist leicht, sich mit dem Label des „ehrlichen Vermittlers“ herauszureden. Denn man erhält viel mehr Zuspruch, wirklich sehr viel mehr Zuspruch, wenn man antiisraelisch agiert anstatt dagegen anzugehen. Doch solange ich Premierminister bin, wird Kanada hiergegen Position beziehen, koste es, was es wolle.“

„Koste es, was es wolle“ – mit solch einem Versprechen hat sich bislang noch kein Staatschef positioniert. Und er wusste wovon der sprach, hatte doch Kanada 2010 die Wahl für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat aufgrund seiner israelfreundlichen Haltung verloren. Er vertrete diesen Standpunkt auch deshalb, erklärte Harper, „weil die Geschichte uns zeigt – und die Ideologie des antiisraelischen Mobs uns nur allzu deutlich bestätigt –dass diejenigen, die die Existenz des jüdischen Volkes bedrohen, auf längere Sicht eine Bedrohung für uns alle sind.“ (Die gesamte Rede ist in Anlage 1 dokumentiert)

Die Konferenz, die Harper mit diesen Worten einleitete, trat zum zweiten Mal zusammen. Das Gründungstreffen der Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism (ICCA) fand im Februar 2009 in London statt. Lediglich im Rundbrief der Wissenschaftlerorganisation Scholars For Peace in the Middle East wurde seinerzeit hiervon in deutscher Sprache berichtet .

Trotz seiner kurzen Existenz kann ICCA bereits auf eine Reihe von Erfolgen verweisen:

  • Die bei der ersten Konferenz verabschiedete London Declaration on Combating Antisemitism wurde nicht nur von weit über Hundert Parlamentariern aus aller Welt unterstützt, sondern auch von der britischen Regierung, der britischen Opposition und der größten kanadischen Oppositionspartei. Die Unterzeichnung durch die kanadische Regierung wird erwartet, weitere Regierungen sollten folgen.
  • Die London Conference hatte zur Gründung der Canadian Parliamentary Coalition to Combat Antisemitism geführt. Dieses 29 Mitglieder umfassende Komitee veranstaltete bislang eine Reihe von Anhörungen zum Thema „Neuer Antisemitismus“ und zum Thema „Antiisraelische Rhetorik an kanadischen Universitäten“ und wird in Kürze einen Bericht über antisemitische Tendenzen in Kanada veröffentlichen. Welch große Bedeutung dem Thema in Kanada beigemessen wird, zeigte sich anlässlich der Ottawa-Konferenz: Hier nahmen 40 Mitglieder des kanadischen Unterhauses, sowie 28 kanadische Minister, Regierungsbeamte oder Provinzpolitiker teil.
  • Am 27. Januar 2010 gründeten Abgeordnete des italienischen Parlaments auf Veranlassung der Abgeordneten Fiamma Nirenstein ein Parliamentary Committee for the Inquiry on Antisemitism, das seither eine Reihe von Anhörungen – u.a. mit Italiens Außenminister Frattini – durchgeführt hat.
  • Die Leitungsgruppe der ICCA – bestehend aus dem ehemaligen kanadischen Justizminister und Abgeordneten Irwin Cotler, dem Diasporaminister und Knesset-Mitglied Yuli Edelstein, dem britischen Labour-Abgeordneten John Mann, der italienischen Publizistin und Abgeordneten Fiamma Nirenstein, dem litauischen Abgeordneten Emanuelis Zingeris, dem amerikanischen Kongressmann Chris Smith sowie dem früheren SPD-Abgeordneten und OSZE-Beauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus, Gert Weisskirchen – führte im April 2009 eine Veranstaltung in Brüssel mit 20 Abgeordneten des Europaparlaments aus 15 Ländern durch. Allerdings harrt der Plan, ein eigenen EP-Komitee zur Bekämpfung des Antisemitismus zu gründen, noch der Umsetzung.
  • Diese Leitungsgruppe führte auch in Berlin eine einstündige Veranstaltung mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages durch und plant in den nächsten Monaten a) eine Reise nach Vilnius, da Litauen 2011 die Führung der OSZE übernimmt; b) eine Reise nach Venezuela, um mit der dortigen Führung über den im Lande erstarkenden Antisemitismus zu sprechen sowie c) Gesprächstermine mit den Leitungsgremien von Google, Youtube, Facebook und anderen Netzwerken, um die antisemitische Hetze im Internet zu thematisieren.

    Auftaktredner der „Ottawa Conference on Combating Antisemitism“ war der 82-jährige Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Er verdeutlichte in einer kurzen und berührenden Ansprache, dass die Überlebenden der Shoah auf Aktivitäten gegen den Antisemitismus angewiesen sind – um zu spüren, dass ihr Entrinnen und ihr „Nie Wieder“- Ruf nicht umsonst gewesen sind. Wiesel erteilte den Parlamentariern den Rat, ihre Aktivitäten auf die internationale Ächtung des Mahmoud Ahmadinejad und die internationale Ächtung von Selbstmordattentaten zu konzentrieren.

    Die Schwerpunkte der Arbeitsgruppen und Plenardiskussionen waren: „Old and New Antisemitism: The Crossovers in Discourse“, „Hate on the Internet“, „Fighting Antisemitism from Within Parliament – Best Practices“, „State-Sanctioned and State-backed Antisemitism: Antisemitism in the International Arena“, „Antisemitism on Campus“ und „Policing, Prosecution and Legal Remedies“; Experten aus 16 Länder nahmen beratend an diesen Sitzungen teil. (Die Präsentation, die ich in der Gruppe „Antisemitism in the International Arena“ hielt, finden Sie hier .)

    Im Ergebnis wurde in Ottawa die London Declaration „as a template document for the fight against antisemitism“ bestätigt und durch ein Ottawa Protocol ergänzt. Das Protokoll betont u.a. die Notwendigkeit, die Arbeitsdefinition zum Antisemitismus, die die EU-Agentur „Europäisches Zentrum zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (EUMC) 2005 veröffentlichte, durch Parlamente und Regierungen weltweit zu übernehmen. (Sie finden die Londoner Erklärung und das Ottawa-Protokoll in Anlage 2 und Anlage 3)

    Es war John Mann, der nicht-jüdische Gründer der britischen „All-Party Parliamentary Group Against Antisemitism“ und Mitinitiator der Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism, der die Ottawa-Konferenz mit einer Anklage gegen den Alltagsantisemitismus in westlichen Gesellschaften beendete.

    Warum aber habe ich den Satz: „We must combat antisemitism as a global phenomenon“ im Bundestag oder auf einer Berliner Pressekonferenz bislang nie gehört?

    Als ich darüber nachdachte, fiel mir ein, wie die Bundesregierung Anfang der 90er Jahre auf die rassistischen Auschreitungen von Hoyerswerda und Lichtenhagen reagiert hatte: Damals nahm nicht der Innenminister, sondern der Außenminister zu den Ausschreitungen Stellung. Rassismus – das war in erster Linie ein Imageproblem. Es ging nicht so sehr darum, die Opfer rassistischer Gewalt besser zu schützen. Es ging in erster Linie darum, das „unser“ Image in der Welt besser zu schützen.

    Heute ist das Thema Antisemitismus beim Innenministerium angesiedelt und wird halbwegs ernst genommen, solange es die Innenpolitik betrifft. Der globale Antisemitismus – ob in seiner islamistischen Variante, ob in seiner traditionellen osteuropäischen Variante oder als globalisierter Israelhass – fällt hingegen unter den Tisch. Wie falsch das ist, wird jeder erkennen, der die Rede von Stephen Harper oder die Londoner Erklärung liest.

    ANLAGE 1: Transcript of Canadian PM Harper’s speech at the Ottawa Conference on Combating Antisemitism

    Members of the Steering Committee, fellow parliamentarians, Ladies and gentlemen, let me begin by saying how delighted I am to see so many of you from around the world, gathered here in Ottawa for the second annual conference of the Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism. It is a sign, not only of your commitment to our common cause, but also of the momentum established at the London Conference last year. It is, therefore, a great sign of hope.

    History teaches us that anti-Semitism is a tenacious and particularly dangerous form of hatred. And recent events are demonstrating that this hatred is now in resurgence throughout the world. That is why the work of the Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism has never been so important or timely as it is now. On behalf of the Government of Canada and all Canadians, I commend you and support you in the great and important work that you are doing. (…)

    Ladies and gentlemen, colleagues, two weeks ago I visited Ukraine for the first time. In Kiev I laid a wreath at Babi Yar, the site of one of the numerous atrocities of the Holocaust. I was left there with much the same impression as I had in Auschwitz in 2008 — that such horrors defy all comprehension.
    At the killing grounds of Babyn Yar, I knew I was standing in a place where evil — evil at its most cruel, obscene, and grotesque — had been unleashed.

    But while evil of this magnitude may be unfathomable, it is nonetheless a fact. It is a fact of history. And it is a fact of our nature — that humans can choose to be inhuman. This is the paradox of freedom. That awesome power, that grave responsibility — to choose between good and evil.
    Let us not forget that even in the darkest hours of the Holocaust, men were free to choose good. And some did. That is the eternal witness of the Righteous Among the Nations. And let us not forget that even now, there are those who would choose evil and would launch another Holocaust, if left unchecked. That is the challenge before us today.

    The horror of the Holocaust is unique, but it is just one chapter in the long and unbroken history of anti-Semitism. Yet, in contemporary debates that influence the fate of the Jewish homeland, unfortunately, there are those who reject the language of good and evil. They say that the situation is not black and white, that we mustn’t choose sides. In response to this resurgence of moral ambivalence on these issues, we must speak clearly.

    Remembering the Holocaust is not merely an act of historical recognition. It must also be an understanding and an undertaking. An understanding that the same threats exist today. And an undertaking of a solemn responsibility to fight those threats. Jews today in many parts of the world and many different settings are increasingly subjected to vandalism, threats, slurs, and just plain, old-fashioned lies.

    Let me draw your attention to some particularly disturbing trends. Anti-Semitism has gained a place at our universities, where at times it is not the mob who are removed, but the Jewish students under attack. And, under the shadow of a hateful ideology with global ambitions, one which targets the Jewish homeland as a scapegoat, Jews are savagely attacked around the world, such as, most appallingly, in Mumbai in 2008.

    One ruthless champion of that ideology brazenly threatens to ‘wipe Israel off the map,’ and time and again flouts the obligations that his country has taken under international treaties. I could go on, but I know that you will agree on one point: that this is all too familiar.

    We have seen all this before. And we have no excuse to be complacent. In fact we have a duty to take action. And for all of us, that starts at home.

    In Canada, we have taken a number of steps to assess and combat anti-Semitism in our own country. You will no doubt hear from my Canadian colleagues about the measures we have taken to date. I will mention for the time being that, for the first time, we are dealing with Canada’s own record of officially sanctioned anti-Semitism. We have created a fund for education about our country’s deliberate rejection of Jewish refugees before and during the Second World War.

    But of course we must also combat anti-Semitism beyond our borders, an evolving, global phenomenon. And we must recognize, that while its substance is as crude as ever, its method is now more sophisticated.

    Harnessing disparate anti-Semitic, anti-American and anti-Western ideologies, it targets the Jewish people by targeting the Jewish homeland, Israel, as the source of injustice and conflict in the world, and uses, perversely, the language of human rights to do so.

    We must be relentless in exposing this new anti-Semitism for what it is. Of course, like any country, Israel may be subjected to fair criticism. And like any free country, Israel subjects itself to such criticism — healthy, necessary, democratic debate. But when Israel, the only country in the world whose very existence is under attack — is consistently and conspicuously singled out for condemnation, I believe we are morally obligated to take a stand. Demonization, double standards, delegitimization, the three D’s, it is the responsibility of us all to stand up to them.

    And I know, by the way, because I have the bruises to show for it, that whether it is at the United Nations, or any other international forum, the easy thing to do is simply to just get along and go along with this anti-Israeli rhetoric, to pretend it is just being even-handed, and to excuse oneself with the label of ‘honest broker.’ There are, after all, a lot more votes, a lot more, in being anti-Israeli than in taking a stand.

    But, as long as I am Prime Minister, whether it is at the UN or the Francophonie or anywhere else, Canada will take that stand, whatever the cost. And friends, I say this not just because it is the right thing to do, but because history shows us, and the ideology of the anti-Israeli mob tells us all too well if we listen to it, that those who threaten the existence of the Jewish people are a threat to all of us.

    Earlier I noted the paradox of freedom. It is freedom that makes us human. Whether it leads to heroism or depravity depends on how we use it. As the spectre of anti-Semitism spreads, our responsibility becomes increasingly clear. We are citizens of free countries. We have the right, and therefore the obligation, to speak out and to act. We are free citizens, but also the elected representatives of free peoples. We have a solemn duty to defend the vulnerable, to challenge the aggressor, to protect and promote human rights, human dignity, at home and abroad.

    None of us really knows whether we would choose to do good, in the extreme circumstances of the Righteous. But we do know there are those today who would choose to do evil, if they are so permitted. Thus, we must use our freedom now, and confront them and their anti-Semitism at every turn.

    That, Ladies and Gentlemen, is the purpose of our intervention today: our shared determination to confront this terrible hatred.

    The work we have undertaken, in our own countries and in cooperation with one another, is a sign of hope. Our work together is a sign of hope, just as the existence and persistence of the Jewish homeland is a sign of hope. And it is here that history serves not to warn but to inspire.

    As I said on the 60th anniversary of the founding of the State of Israel, Israel appeared as a light, in a world emerging from deep darkness. Against all odds, that light has not been extinguished. It burns bright, upheld by the universal principles of all civilized nations — freedom, democracy and justice. By working together more closely in the family of civilized nations, we affirm and strengthen those principles. And we declare our faith in humanity’s future in the power of good over evil. Thank you for all you are doing to spread that faith. And thank you for your kind attention.

    ANLAGE 2: Die Londoner Erklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus

    Präambel
    Wir, Parlamentarier aus aller Welt, sind in London zur Gründung und zur Konferenz der Interparlamentarischen Koalition zur Bekämpfung des Antisemitismus (ICCA) zusammengetreten, und lenken die Aufmerksamkeit der demokratischen Welt auf das Wiederaufleben von Antisemitismus als einer mächtigen Kraft in der Politik, in den internationalen Beziehungen und in der Gesellschaft.
    Wir beobachten den dramatischen Anstieg der registrierten antisemitischen Hassverbrechen und Angriffe auf jüdische Personen und ihr Eigentum sowie auf jüdische religiöse, schulische und kommunale Institutionen.
    Wir sind alarmiert angesichts des erneuten Auflebens der alten Sprache der Vorurteile und ihrer modernen Ausdrucksformen:
    in Reden und und politischem Handeln – gegen Juden, die jüdische Religion und den Staat Israel.
    Wir sind alarmiert über staatlich unterstützten Antisemitismus im Allgemeinen und staatlichen Antisemitismus, der zum Völkermord führt, im Besonderen.
    Wir, als Parlamentarier, bekräftigen unsere Entschlossenheit, dieser Herausforderung mit einem umfassenden Aktionsprogramm zu begegnen.
    Wir appellieren an nationale Regierungen, Parlamente, internationale Institutionen, politische und zivile Führungspersönlichkeiten, nichtstaatliche Organisationen und die Zivilgesellschaft, demokratische und menschliche Werte zu festigen und eine Gesellschaft zu schaffen, deren Grundlagen Respekt und Staatsbürgerschaft sind, sowie alle Bekundungen
    von Antisemitismus und Diskriminierung zu bekämpfen.

    Wir beschliessen am heutigen Tag in London

    Antisemitismus zu bekämpfen:

    1. Parlamentarier sollten politische Akteure, die Hassgefühle gegen Juden zeigen und den Staat Israel als jüdische Einheit bekämpfen wollen, entlarven, ihnen die Stirn bieten und isolieren;
    2. Parlamentarier sollten ihre Stimme gegen Antisemitismus und Diskriminierung, die gegen Minderheiten gerichtet sind, erheben und sich vor Ausflüchten, Zögerlichkeit und Rechtfertigung gegen Zeichen von Hass hüten;
    3. Regierungen sollten alle Entscheidungsträger weltweit, Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens, die den Holocaust leugnen, verunglimpfen oder verharmlosen, zur Rede stellen und die Zivilgesellschaft dazu verpflichten, gegenüber diesem Phänomen wachsam zu sein und es offen verurteilen;
    4. Parlamentarier sollten sich bei ihrer Regierung dafür einsetzen, internationale Vereinbarungen zur Bekämpfung des Antisemitismus einzuhalten, einschliesslich der Berliner Erklärung der OSZE und ihrer acht Hauptgrundsätze;
    5. Die Vereinten Nationen sollten ihren Aufruf erneuern, dass jeder Mitgliedsstaat sich zu den Grundsätzen der Initiative zum Holocaust-Gedenken bekennen sollte, einschliesslich besonderer und gezielter Strategien, um die Leugnung und Verharmlosung des Holocaust zu
    vermeiden;
    6. Regierungen und die Vereinten Nationen sollten beschliessen, dass die Institutionen der internationalen Gemeinschaft und der Dialog unter den Staaten niemals wieder dazu missbraucht werden, dem Antisemitismus irgendeine Form von Legitimation zu verschaffen, zum Beispiel, indem man Israel herausstellt und international diskriminiert. Wir wollen keine
    weitere Versammlung der Vereinten Nationen gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Zeichen der Intoleranz wie die von
    Durban im Jahr 2001 erleben oder daran teilnehmen;
    7. Die OSZE sollte ihre Mitgliedsstaaten dazu anhalten, ihre Versprechen, die sie in der Berliner Erklärung von 2004 geleistet haben, zu erfüllen und Programme zur Bekämpfung von Antisemitismus, unter Einbeziehung des Programms für Strafverfolgungsbeamte zur Bekämpfung der Hasskriminalität der OSZE, LEOP, vollständig auszuschöpfen;
    8. Die Europäische Union, zwischenstaatliche Institutionen, multilaterale Gremien und Religionsgemeinschaften müssen gemeinsame Anstrengungen zur Bekämpfung des Antisemitismus leisten und ihre Mitglieder dazu bringen, bewährte und erfolgreiche Handlungsweisen bei der Bekämpfung des Antisemitismus zu übernehmen;
    9. Führungspersönlichkeiten aller Glaubensrichtungen sollten dazu aufgerufen werden, Antisemitismus und alle Arten von diskriminierender Feindschaft zwischen Gläubigen und der Gesellschaft im Allgemeinen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen;
    10. Der EU-Ministerrat sollte eine Sondersitzung zur Bekämpfung des Antisemitismus auf Basis der Londoner Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus und der Londoner Erklärung durchführen.

    Verbote auszusprechen:

    11. Regierungen sollten die Konvention zum Völkermord vollauf bekräftigen und aktiv für sie eintreten, zur Kenntnis nehmen, dass die Unterzeichnerstaaten bei Aufhetzung zum Völkermord die selbstverständliche Pflicht haben, entsprechende Handlungsweisen
    einzuleiten. Dazu können Sanktionen gegen Länder gehören, die Völkermord verüben bzw. ihn androhen, diese Angelegenheit dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu überantworten oder eine zwischenstaatliche Beschwerde beim Internationalen Strafgerichtshof einzulegen;
    12. Parlamentarier sollten wirksame Gesetze gegen Hassverbrechen unter
    Berücksichtigung von „durch Hass verschlimmerte Vergehen“ verabschieden und im Einklang mit lokalen Rechtsnormen Vergehen der „Aufhetzung zum Hass“ zum Tatbestand machen und Strafverfolgungsbehörden die Kompetenzen einräumen, diese entsprechend zu verurteilen;
    13. Regierungen, die Unterzeichnerstaaten des ‚Hassredenprotokolls des Europarates’ des ‚Übereinkommens über Computerkriminalität’ (des ‚Zusatzprotokolls über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art’ ) sind, sollten eine ähnliche nationale Gesetzgebung durchsetzen;

    die Bedrohung zu erkennen:

    14. Parlamentarier sollten in ihre Gesetzgebungsinstanz, ihr Parlament oder ihre Versammlung zurückkehren und Untersuchungskommissionen einrichten, die damit beauftragt werden, die bestehende Art und den Stand des Antisemitismus in ihrem Land festzustellen und Empfehlungen für Massnahmen der Regierung und der Zivilgesellschaft auszuarbeiten;
    15. Parlamentarier sollten mit ihren Regierungen zusammenarbeiten, um die Wirksamkeit bestehender Strategien und Funktionsweisen zu beurteilen und bewährte und erfolgreiche Handlungsweisen zur Antisemitismusbekämpfung zu empfehlen;
    16. Regierungen sollten sicherstellen, dass sie über öffentlich verfügbare Meldesysteme für Vorfälle verfügen, ferner, dass die über Antisemitismus gesammelten Statistiken Gegenstand regelmässiger erneuter Prüfungen und Massnahmen durch Regierung und Staatsanwaltschaft sind und dass ein angemessener rechtlicher Rahmen vorhanden ist, um Hassverbrechen zu bekämpfen;
    17. Regierungen sollten den Gebrauch der ‚Arbeitsdefinition von Antisemitismus der EUMC’ verstärkt übernehmen, um Einfluss auf Massnahmen nationaler und internationaler Organisationen auzüben und diese als Grundlage für Schulungsmaterial für
    Strafverfolgungsbehörden einzusetzen;
    18. Polizeikräfte sollten Anschuldigungen von Hassverbrechen und Vorfällen erfassen, einschliesslich von Antisemitismus, und zwar als routinemässige Meldung eines Vergehens;
    19. Die OSZE sollte mit den Mitgliedsstaaten zusammmenarbeiten, um konsequente Datenerfassungssysteme zu Antisemitismus und Hassverbrechen auszuarbeiten.

    für Bildung, Aufklärung und Ausbildung Sorge zu tragen:

    20. Regierungen sollten Polizeikräfte, Staatsanwaltschaften und Richter umfassend ausbilden. Diese Ausbildung ist unerlässlich, wenn die Straftäter antisemitischer Hassverbrechen erfolgreich festgenommen, strafrechtlich verfolgt, verurteilt und bestraft werden sollen. Das Programm für Strafverfolgungsbeamte zur Bekämpfung der Hasskriminlität der OSZE, LEOP, ist eine beispielhafte Initiative, die aus einem internationalen Fachgremium von Polizeibeamten besteht, das Polizeikräfte in mehreren Ländern ausbildet;
    21. Regierungen sollten Schulungsmaterialien zu den Themen des Holocaust, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung ausarbeiten, die in die nationalen Lehrpläne aufgenommen werden sollten. Alle Lehrmaterialien sollten auf Werte wie Universalität, Integration, Akzeptanz und Achtung gegründet und so konzipiert sein, dass Lernende Antisemitismus und alle Arten von Hassreden erkennen und bekämpfen können;
    22. Der Europarat sollte sich wirksam für die vollständige Umsetzung seiner ‚Erklärung und seines Programms für die Erziehung zur demokratischen Bürgertugend’, die am 7. Mai 1999 in Budapest verabschiedet wurden, einsetzen;
    23. Regierungen sollten ein umfassendes Schulungsprogramm im gesamten
    Strafrechtssystem, unter Verwendung von Programmen wie LEOP einsetzen;
    24. Kultusbehörden sollten sicherstellen, dass die Redefreiheit innerhalb des gültigen Rechts eingehalten wird und Lernende sowie Lehrende vor unrechtlichen antisemitischen Reden und einem feindlichen Umfeld, gleichgültig welcher in Form, einschliesslich Aufrufen zu Boykotten, geschützt werden.

    Gemeinsame Unterstützung zuteil werden zu lassen:

    25. Das Strafrechtssystem sollte öffentlich lokale Gemeinden davon in Kenntnis setzen, wenn antisemitische Hassverbrechen von den Gerichten strafrechtlich verfolgt werden, um Vertrauen in den Gemeinden in die Meldung und das Umsetzen von Verurteilungen durch das Strafrechtssystem zu schaffen;
    26. Parlamentarier sollten mit der Zivilgesellschaft und führenden nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeiten, um Partnerschaften zu schaffen, die lokalen, nationalen und internationalen Wandel bewirken und Anstrengungen unterstützen, die Aufklärung über den Holocaust, den Dialog zwischen den Religionen und kulturellen Austausch zu fördern.

    Die Medien und das Internet einzubeziehen:

    27. Regierungen sollten die Herausforderungen und die Chancen der neu entstehenden Kommunikationsformen erkennen;
    28. Medienaufsichtsbehörden sollten die ‚Arbeitsdefinition von Antisemitismus der EUMC’ übernehmen, um Grundlagen für Mediennormen zu schaffen;
    29. Regierungen sollten angemessene und notwendige Massnahmen ergreifen, um das Senden antisemitischer Programme auf Satellitenkanälen zu unterbinden und auf das Land, in dem ein Sender beheimatet ist, Druck auszuüben, damit verhindert wird, dass antisemitische Programme gesendet werden;
    30. Die OSZE sollte nach Möglichkeiten suchen, wie die Massnahmen von Mitgliedsstaaten, gegen den Gebrauch des Internet als Mittel von Aufhetzung einzuschreiten, koordiniert werden können;
    31. Strafverfolgungsbehörden sollten Strafbestände wie nationales „Hassverbrechen“, „Aufhetzung zu Hass“ und andere Gesetze sowie andere Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, nutzen und, falls zulässig, „Hass im Internet“ strafrechtlich verfolgen, wenn rassistische und antisemitische Inhalte beheimatet, veröffentlicht und verfasst werden;
    32. Eine internationale Arbeitsgruppe von Internetexperten, bestehend aus Parlamentariern und Sachverständigen, sollte eingerichtet werden, um gemeinsame Massstäbe zur Beurteilung des Antisemitismus und anderer Bekundungen von Hass im Internet zu schaffen und strategische Empfehlungen auszuarbeiten sowie praktische Instrumente für Regierungen und nationale Rahmen zu entwickeln, um diese Probleme zu
    bekämpfen.

    Die Interparlamentarische Koalition zur Bekämpfung des Antisemitismus:

    33. Die Teilnehmer werden sich darum bemühen, mit ihren Kollegen während des Rahmens der Arbeitsgruppe in Verbindung zu bleiben und Erfolge zu melden bzw. gegebenenfalls um weitere Untersützung zu bitten;
    34. Die Delegierten sollten bei der nächsten ICCA-Konferenz in Kanada im Jahr 2010 wieder zusammentreffen, aktive Mitglieder der interparlamentarischen Koalition werden und die Londoner Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus fördern und sie zu einer Priorität ihres Handelns machen.

    Lancaster House, den 17. Februar 2009

    ANLAGE 3: The Ottawa Protocol on Combating Antisemitism

    Preamble

    We, Representatives of our respective Parliaments from across the world, convening in Ottawa for the second Conference and Summit of the Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism, note and reaffirm the London Declaration on Combating Antisemitism as a template document for the fight against antisemitism.

    We are concerned that, since the London Conference in February 2009, there continues to be a dramatic increase in recorded antisemitic hate crimes and attacks targeting Jewish persons and property, and Jewish religious, educational and communal institutions.

    We remain alarmed by ongoing state-sanctioned genocidal antisemitism and related extremist ideologies. If antisemitism is the most enduring of hatreds, and genocide is the most horrific of crimes, then the convergence of the genocidal intent embodied in antisemitic ideology is the most toxic of combinations.

    We are appalled by the resurgence of the classic anti-Jewish libels, including:

  • The Blood Libel (that Jews use the blood of children for ritual sacrifice)
  • The Jews as “Poisoners of the Wells” – responsible for all evils in the world
  • The myth of the “new Protocols of the Elders of Zion” – the tsarist forgery that proclaimed an international Jewish conspiracy bent on world domination – and accuses the Jews of controlling government, the economy, media and public institutions.
  • The double entendre of denying the Holocaust – accusing the Jews of fabricating the Holocaust as a hoax – and the nazification of the Jew and the Jewish people.

    We are alarmed by the explosion of antisemitism and hate on the Internet, a medium crucial for the promotion and protection of freedom of expression, freedom of information, and the participation of civil society.

    We are concerned over the failure of most OSCE participating states to fully implement provisions of the 2004 Berlin Declaration, including the commitment to:

    “Collect and maintain reliable information and statistics about antisemitic crimes, and other hate crimes, committed within their territory, report such information periodically to the OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR), and make this information available to the public.”

    We are concerned by the reported incidents of antisemitism on campuses, such as acts of violence, verbal abuse, rank intolerance, and assaults on those committed to free inquiry, while undermining fundamental academic values.

    We renew our call for national Governments, Parliaments, international institutions, political and civic leaders, NGOs, and civil society to affirm democratic and human values, build societies based on respect and citizenship and combat any manifestations of antisemitism and all forms of discrimination.

    We reaffirm the EUMC – now Fundamental Rights Agency (FRA) – working definition of antisemitism, which sets forth that:
    “Contemporary examples of antisemitism in public life, the media, schools, the workplace, and in the religious sphere could, taking into account the overall context, include, but are not limited to:

  • Calling for, aiding, or justifying the killing or harming of Jews in the name of radical ideology or an extremist view of religion.
  • Making mendacious, dehumanizing, demonizing, or stereotypical allegations about Jews as such or the power of Jews as collective – such as, especially but not exclusively – the myth about a world Jewish conspiracy, or of Jews controlling the media, economy, government or other societal institutions.
  • Accusing Jews as a people of being responsible for real or imagined wrongdoing committed by a single Jewish person or group, or even for acts committed by non-Jews.
  • Denying the fact, scope, mechanisms (e.g. gas chambers) or intentionality of the genocide of the Jewish people at the hands of National Socialist Germany and its supporters and accomplices during World War II (the Holocaust).
  • Accusing the Jews as a people, or Israel as a state, of inventing or exaggerating the Holocaust.
  • Accusing Jewish citizens of being more loyal to Israel, or to the alleged priorities of Jews worldwide, than to the interests of their own nations.

    Examples of the ways in which antisemitism manifests itself with regard to the State of Israel taking into account the overall context could include:

  • Denying the Jewish people their right to self-determination, e.g., by claiming that the existence of a State of Israel is a racist endeavour.
  • Applying double standards by requiring of it behaviour not expected or demanded of any other democratic nation.
  • Using the symbols and images associated with classic antisemitism (e.g. claims of Jews killing Jesus or blood libel) to characterize Israel or Israelis.
  • Drawing comparisons of contemporary Israeli policy to that of the Nazis.
  • Holding Jews collectively responsible for actions of the State of Israel.

    However, criticism of Israel similar to that levelled against any other country cannot be regarded as antisemitic.
    Let it be clear: Criticism of Israel is not antisemitic, and saying so is wrong. But singling Israel out for selective condemnation and opprobrium – let alone denying its right to exist or seeking its destruction – is discriminatory and hateful, and not saying so is dishonest.

    Members of Parliament meeting in Ottawa commit to:

    1. Calling on our Governments to uphold international commitments on combating antisemitism – such as the OSCE Berlin Principles – and to engage with the United Nations for that purpose. In the words of former U.N. Secretary-General Kofi Annan, “It is […] rightly said that the United Nations emerged from the ashes of the Holocaust. And a Human Rights agenda that fails to address antisemitism denies its own history”;

    2. Calling on Parliaments and Governments to adopt the EUMC Working Definition of Antisemitism and anchor its enforcement in existing law;

    3. Encouraging countries throughout the world to establish mechanisms for reporting and monitoring on domestic and international antisemitism, along the lines of the “Combating Antisemitism Act of 2010” recently introduced in the United States Congress;

    4. Encouraging the leaders of all religious faiths – represented also at this Conference – to use all means possible to combat antisemitism and all forms of hatred and discrimination;

    5. Calling on the Parliamentary Forum of the Community of Democracies to make the combating of hatred and antisemitism a priority in their work;

    6. Calling on Governments and Parliamentarians to reaffirm and implement the Genocide Convention, recognising that where there is incitement to genocide, State parties have an obligation to act;

    7. Working with universities to encourage them to combat antisemitism with the same seriousness with which they confront other forms of hate. Specifically, universities should be invited to define antisemitism clearly, provide specific examples, and enforce conduct codes firmly, while ensuring compliance with freedom of speech and the principle of academic freedom.
    Universities should use the EUMC Working Definition of Antisemitism as a basis for education, training and orientation. Indeed, there should be zero tolerance for discrimination of any kind against anyone in the university community on the basis of race, gender, religion, ethnic origin, sexual orientation or political position;

    8. We encourage the European Union to promote civic education and open society in its European Neighbourhood Policy (ENP) and to link funding to democratic development and respect for Human Rights in ENP partner countries;

    9. Establishing an International Task Force of Internet specialists comprised of parliamentarians and experts to create common indicators to identify and monitor antisemitism and other manifestations of hate online and to develop policy recommendations for Governments and international frameworks to address these problems;

    10. Building on the African representation at this Conference, to develop increased working relationships with parliamentarians in Africa for the combating of racism and antisemitism;

    11. We urge the incoming OSCE Chair, Lithuania, to make implementation of these commitments a priority during 2011 and call for the reappointment of the Special Representatives to assist in this work.