Ein Blender zu Besuch

Irans Außenminister auf Deutschland-Visite

Von Matthias Küntzel

Jüdische Allgemeine, 6. Februar 2014

Wer Anfang dieser Woche die Veranstaltung der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ mit Irans Außenministers Mohammed Zarif besuchte, wurde mit ohrenbetäubendem Lärm und „Schande“-Rufen begrüßt.[1] Der „Nationale Widerstandsrat Iran“ und die Kampagne „Stopp the Bomb“ hatten mobilisiert, um gegen Zarifs Auftritt und die Hinrichtungswelle in Iran zu protestieren.[2]

Der Außenminister ließ sich von dem Pfeifen, Trommeln, Hupen und Schreien, das seinen Auftritt wie ein akustischer Schatten begleitete, aber nicht beirren. Er lächelte und zog sein Publikum mit schönen Sätzen in den Bann: „Die globale Sicherheit ist unteilbar“, „Dialog ist notwendig“ oder „Krieg ist keine gute Option“. Zarif gerierte sich als iranischer Gorbatschow; als herzensguter Reformer, der den Mächten der Finsternis Paroli zu bieten scheint.

Dabei hatte er sich nur wenige Tage zuvor noch vor dem Grab einer besonders finsteren Figur – dem Hizbollah-Kommandanten Imad Mughniyeh – verneigt, Gebetsworte gemurmelt und einen Kranz niederlegt.[3] Mughniyeh war nicht nur 1983 für den Selbstmordanschlag verantwortlich, bei dem 241 US-Soldaten in ihrem Quartier in Beirut getötet wurden, er gilt darüber hinaus als der eigentliche „Erfinder“ des islamistisch motivierten Selbstmordattentats. „Wir sind stolz auf unsere Märtyrer“, hatte Zarif in Teheran gesagt. „Das größte Hindernis für Amerika ist unsere Kultur des Widerstands und des Selbstopfers (Märtyrertod).“[4]

Von all dem in Berlin kein Wort. Im Gegenteil. Zarif präsentierte sein Land als Insel der Mäßigung in einem Meer extremistischer Gewalt.

„Wir unterstützen keine Terroristen!“, erklärte er mit verschmitztem Lächeln. „Wir finanzieren sie auch nicht.“ Das Publikum hing an seinen Lippen, niemand lachte. Später bestand Zarif darauf, dass die Hizbollah, die die EU nach einem Anschlag auf jüdische Touristen in Bulgarien als Terrororganisation gelistet hatte, „keine terroristische Organisation“ sei.

Außenpolitisch sei Iran „eine Status Quo-Macht“, die sich für Ruhe und Stabilität in der Region einsetze, führte Zarif aus. „Wir werden niemals und gegen niemanden eine militärische Operation starten.“ Dass Irans Revolutionsgarden sich im Irak und Libanon einmischen und in Syrien Krieg führen, erwähnte er nicht. Für die Syrien-Operation rekrutiert Iran Schiiten aus aller Welt und bildet sie in Lagern aus.[5]

Mehr noch: In seiner kürzlich erschienenen Autobiographie begründet Zarif höchstpersönlich, warum Iran den Status Quo verneint: „Weil wir eine Mission von globaler Dimension verfolgen. „Wir haben uns auf eine globale Berufung festgelegt – sowohl in unserer Verfassung, als auch bei den Endzielen der Islamischen Revolution.“ Er glaube, so Zarif in seinem Buch, dass der Iran „ohne seine revolutionären Ziele gar nicht existieren“ würde.[6]

Während Zarif seinem Publikum also wiederholt ein X für ein U vormachte, argumentierte er in Punkto Atomtechnik knallhart. Er wolle, dass Iran die Atomenergie uneingeschränkt verwenden kann – „so wie Japan“. Japan verfügt über 44 Tonnen Plutonium – ausreichend für 5.000 Atomwaffen des Nagasaki-Typs. Der Unterschied, den Zarif nicht erwähnte, besteht darin, dass Japan, anders als der Iran, nicht nur eine Demokratie ist, sondern auch eine Macht, die den internationalen Status Quo erhalten will und nicht mit Atomwaffen droht.[7]

Anders der iranische Außenminister in Berlin: „Die beste Garantie“ gegen den iranischen Griff zur Bombe bestünde darin, „die internationalen Beziehungen so zu gestalten, dass es unlogisch wäre, aus der friedlichen Nutzung auszubrechen.“[8] Freundlich lächelnd gab der Außenminister also bekannt, dass es allein von der internationalen Lage abhänge, ob Iran sein Programm auf militärische Zwecke umstellt oder nicht.

Doch so genau wollte es das Berliner Publikum gar nicht wissen: Es ließ sich von dem süßen Lächeln des Außenministers, seinem sonoren Bass und seinem Charme nur allzu gern verführen und spendete ihm Applaus.

„Sie haben hier viel Vertrauen aufgebaut“, konstatierte Paul Freiherr von Maltzahn, der Generalsekretär der DGAP, bei seinem abschließenden Dank an Zarif. Gewiss. Vertrauen zu einem Regime, das täglich Menschen hinrichtet, Assads Massaker in Syrien fördert, weiter Uran anreichert und am Plutoniumbrüter baut und Israel zu seinem Erzfeind erklärt.

Ein Vertrauen, das an die legendäre Blindheit erinnert, vor der das Lehrstück von Max Frisch – Biedermann und die Brandstifter –eindringlich warnt. „Man soll nicht immer das Schlimmste denken“, lässt Frisch seinen Biedermann sagen. „Ein bisschen Vertrauen, Herrgottnochmal, muss man schon haben, ein bisschen guten Willen.“

[1] Veranstaltung der DGAP am 3. Februar 2014 zum Thema „Iran’s New Foreign Policy“ mit H.E. Dr. Mohammad Javad Zarif.

[2] http://www.dw.de/iran-kein-verzicht-auf-atomtechnik/av-17406337

[3] Shimon Shapira, Iran Honors Hizbullah Commanders – Further Details, www.jcpa.org/iran, 15 January 2014.

[4] MFA vs. IRGC, Zarif strikes back; only Khamenei can decide whether to stop or continue the nuclear talks, Iran Daily Brief, 19 December 2013.

[5] Farnaz Fassihi, Jay Solomon and Sam Dagher, Iranians Dial Up Presence in Syria. Shiite Militiamen from Across the Arab World Train at a Base Near Tehran to Do Battle in Syria, in: Wall Street Journal, September 15, 2013.

[6] Ali Alfoneh and Reuel Marc Gerecht, An Iranian Moderate Exposed, The New Republic, January 23, 2014.

[7] Iran hat seit 2005 öffentlich auf einen “Japan-Status” gedrängt. 2012 begann der Westen, diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Ich berichtete hierüber auf http://www.matthiaskuentzel.de/contents/friedlich-in-die-katastrophe .

[8] Zarif hat diese Drohung in einem FAZ-Interview bekräftigt. Frage: „Wie wollen Sie die Angst entkräften, dass Iran irgendwann doch nach der Atombombe greift?“ Antwort: „Man sollte eine Situation schaffen, in der es für Iran logisch und förderlich ist, Teil des Systems zu bleiben und nicht aus dem Nichtverbreitungsvertrag auszusteigen.“ Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Februar 2014.