Berlin muss die deutsch-iranischen Bank in Hamburg schließen

Eine Hamburger Bank sei ein Schlupfloch zur Finanzierung des iranischen Atomprogramms, warnt die US-Regierung. Doch Deutschland reagiert nicht.

Von Matthias Küntzel

DIE WELT, 29. September 2010

Was für ein Affront! Anfang September setzte die amerikanische Regierung die Europäisch-Iranische Handelsbank AG (EIH) aus Hamburg auf ihre Schwarze Liste, obwohl die deutsche Bankenaufsicht keinen Grund zur Beanstandung sieht. Dieses Geldhaus helfe bei der Finanzierung des iranischen Atom- und Raketenprogramms, behauptet Washington. Dafür gebe es keine Beweise, kontert Berlin und lässt die Bank weiter laufen. Zu recht?

Die EIH-Bank präsentiert sich als „deutsche Aktiengesellschaft“ und „deutsche Bank“. Doch das trügt, in Wirklichkeit ist sie ein Zwitter. Sie unterliegt der deutschen Bankenaufsicht, ist aber Eigentum des iranischen Regimes. Ihr Grundkapital ist auf vier staatliche iranische Banken verteilt, von denen zwei – Bank Mellat und Bank Refah – seit diesen Sommer auf der EU-Sanktionsliste stehen. Den Aufsichtsrat der EIH-Bank stellen die Vorstandsvorsitzenden der staatlichen Industry and Mine Bank in Teheran (52 Prozent Aktienbesitz), der Mellat Bank (26 Prozent) und der Bank Tejarat (19 Prozent) – allesamt hohe Funktionäre eines düsteren Regimes.[1]

Aufsichtsratsvorsitzender auf EU-Sanktionsliste

Da ist zum Beispiel Ali Divandari, den die EU-Sanktionsliste sogar namentlich erwähnt. In Hamburg ist er der stellvertretende Aufsichtsratvorsitzende der EIH-Bank, während er in Teheran die Mellat-Bank leitet, die nach Auskunft der Europäischen Union „das iranische Atom- und Raketenprogramm ermöglicht und befördert.“[2] Oder Ramin Pashaeefam, ein 44-jähriger Karrierefunktionär, der das Büro für strategische Planung und Handelsbeziehungen des iranischen Präsidenten geleitet hatte, bevor man ihn im Mai 2009 in den Vorstand der EIH-Bank berief. Mittlerweile ist er Vorstandschef der Sepah-Bank, die seit 2007 auf der Schwarzen Liste der Vereinten Nationen steht.[3] Angeblich hat er seinen Hamburger Posten aufgegeben, im Handelsregister wird er jedoch weiterhin als Vorstandsmitglied geführt.[4]

Am 7. Mai 2010 konnte Pashaeefam die Vorstandschefs der vier iranischen Staatsbanken, die die EIH-Bank kontrollieren, in den Geschäftsräumen seiner Bank begrüßen. Dort nahmen sie gemeinsam mit einer Handvoll anderer Banker an der „Ordentlichen Hauptversammlung“ der EIH-Bank teil.

Telefonat zwischen Obama und Merkel

Für Stuart Levey, dem Terrorismusexperten des amerikanischen Finanzministeriums, ist die EIH-Bank „eine der wichtigsten finanziellen Lebensadern des Iran.“ Sie stehe im Zentrum der Versuche Teherans, das internationale Sanktionsregime zu untergraben und die Finanzierung seines Atom- und Raketenprogramms durch die Hintertür sicherzustellen. So habe diese Bank seit 2007 mehrere Mammutgeschäfte zwischen einem Waffenhändler und dem iranischen Atomzulieferer „Iran Electronics Industries“ und weitere millionenschwere Beschaffungen für das Atomprogramm finanziert. Je stärker sich der internationale Sanktionsdruck auf Teheran entfalte, desto größer die Bedeutung des Hamburger Schlupflochs für die Fortsetzung des iranischen Atom- und Raketenprogramms.[5]

In der Tat stieg das Geschäftsvolumen der EIH-Bank zwischen 2005 und 2008 um 112 Prozent. Die Summe ihrer Einlagen stieg in diesem Zeitraum um 118 Prozent, der Jahresüberschuss um 225 Prozent und der Bilanzgewinn um 228 Prozent. 2009 wurde das Geschäftsvolumen der Bank um weitere 10 Prozent erhöht.[6]

Es war diese Dynamik, die Barack Obama dazu veranlasste, mit Angela Merkel über die EIH-Bank zu telefonieren. „Mir wurde gesagt“, berichtet der renommierte Journalist John Vinocur am 2. August 2010 in der New York Times, „dass Deutschlands Hemmung, gegen eine Bank in Hamburg scharf vorzugehen, die verdächtigt wird, europäische Geschäfte mit Iran zu erleichtern, kürzlich zu einem – jedoch vergeblichen – Telefonat zwischen Mr. Obama und Kanzlerin Angela Merkel führte.“[7]

Diskrete Maßnahmen in Deutschland

Obama konnte in diesem Gespräch auf den Sanktionsbeschluss der Vereinten Nationen von Juni 2010 verweisen, der alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, iranische Bankenaktivitäten zu stoppen, die den Bau der Bombe erleichtern.[8] Er konnte auch die Argumentation seines Beraters Stuart Eizenstat ins Feld führen, der die EU bedrängt hatte, „gegen alle iranischen staatlichen Banken … Sanktionen zu verhängen. ... Sie alle finanzieren Tarnfirmen für das Atomwaffenprogramm. ... Nimmt man auch nur ein einziges Institut von der Sanktionsliste heraus, lädt man den Iran lediglich ein, seine Transaktionen auf dieses zu verlagern.“[9]

In Europa waren freilich nicht alle Mitgliedsstaaten von diesem Argument überzeugt. Am 29. Juli dieses Jahres setzte die EU zahlreiche iranische Banken auf ihre Sanktionsliste – die EIH-Bank jedoch nicht. Doch wurden zwei ihrer Teilhaberbanken (Mellat, Refah) sowie ein Mitglied ihres Aufsichtsrat (Divandari) sanktioniert.[10] Damit stand Deutschland in der Pflicht, etwas zu tun.

Noch im Mai 2010 hatte sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, mit der erneuten Ernennung von Ali Divandari zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der EIH-Bank einverstanden gezeigt. Im Juli fror sie die Konten Divandaris und der beiden Teilhaberbanken, Mellat und Refah sang- und klanglos ein – eine Maßnahme, die in Deutschland nicht gerade alltäglich ist und die beweist, dass Amerikas Vorwürfe gegen die EIH-Bank nicht erfunden sind.

Wirtschaftsministerium animiert deutsche Unternehmen

Mit gleicher Diskretion wurde verfügt, dass die von den Sanktionen betroffenen Unternehmen und Personen bei der EIH-Bank weitermachen dürfen, als sei nichts geschehen. Die „Präsenz auf einer Embargoliste“, erklärte mir ein BaFin-Sprecher diese Praxis, müsse die „Zuverlässigkeit und fachliche Eignung“ eines Bankers „nicht unbedingt erschüttern.“ Aha. Wer das iranische Atomprogramm „zuverlässig“ und „fachlich geeignet“ finanziert, scheint somit aus dem Schneider zu sein. Wie ist diese „deutsche Hemmung“, hier „scharf vorzugehen“ zu erklären?

Eine Episode von Juni 2008 ist für die Beantwortung dieser Frage aufschlussreich. Damals wurde ein anderes iranisches Geldinstitut, die Melli Bank, die bis dahin die europäischen Irangeschäfte finanziert hatte, mit EU-Sanktionen belegt.[11] War es Zufall, das die EIH-Bank noch im selben Monat ihre – von den staatlichen Banken Irans finanzierte – Zweigstelle in Teheran eröffnete und somit einen neuen Finanzierungskanal für Irangeschäfte schuf? Flugs war damals das Wirtschaftsministerium zur Stelle und wies die deutschen Unternehmen auf diese neue Möglichkeit hin.

EIH-Banker bleiben zuversichtlich

Die Eröffnung dieser Zweigstelle sei „als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen und den Rückzug der internationalen Großbanken zu werten“, heißt es in einer Mitteilung der halbstaatlichen „Germany Trade & Invest“, die das Ministerium am 27. Juni 2008 veröffentlichte. „Wegen der Wirtschaftssanktionen intensiviert Iran seine Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten, die weiterhin mit Iran im Geschäft bleiben wollen.“[12] Vielleicht ist es diese Funktion der EIH-Bank, die ihre Aufseher so zurückhaltend stimmt: Sie soll die Auswirkungen internationaler Sanktionen kompensieren, um das Geschäft mit Iran auch „weiterhin“ zu beleben. Irans Bombe, die internationalen Sanktionen, die Holocaustleugnung, die Attacken gegen Israel – all dies scheint demnach zweitrangig, ein Problem Amerikas und Israels zu sein.

Das ist es aber nicht. Was nützt der Zuspruch des Außenministers und der Bundeskanzlerin zu Sanktionen, wenn das Wirtschafts- und Finanzministerium gleichzeitig deren Umgehung billigt und deckt? Obama hat recht, wenn er das Hamburger Schlupfloch stopfen will. Der eigentliche Affront ist die Tatsache, dass Berlin das Treiben der iranischen EIH-Bank weiterhin schützt. Norbert Eisenmenger, ein führender Manager der EIH-Bank ist zuversichtlich, dass es dabei bleibt. Ich fragte ihn, ob er nach der amerikanischen Sanktionierung für die Zukunft seines Hauses optimistisch sei. „Ja selbstverständlich!“, antwortete er. „Warum denn nicht?“[13]
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[1] Amtliches Protokoll der Ordentlichen Hauptversammlung der Europäisch-Iranischen Handelsbank Aktiengesellschaft vom 7. Mai 2010, S. 6, sowie Protokolle-Anlage 2 (Teilnehmerliste der erschienenen oder vertretenen Aktionäre).

[2] Annex II des EU-Ratsbeschluss vom 26. Juli 2010, in: Official Journal of the European Union, 27. 7. 2010, Seite L 195/61.

[3] Wahied Wahdat-Hagh, Hamburger Bank in Irans Atomprogramm verstrickt, in: Welt Online, 24.9.2010.

[4] Siehe Handelsregistersache Europäisch-Iranische Handelsbank AG Az.: 66 HRB 14604, Amtsgericht Hamburg, vom 21. September 2010.

[5] Peter Fritsch, U.S. Blacklists Tehran Bank. German-Based EIH Provided Financial Services to Weapons Companies, in: Wall Street Journal (WSJ), September 8, 2010 sowie Paul-Anton Krüger und Nikolaus Piper, Europäisch-Iranische Handelsbank – Ab auf die Schwarze Liste, in: Süddeutsche Zeitung , 8. September 2010.

[6] Amtliches Protokoll, a.a.O., Anlage 3 (Lagebericht. Geschäfts- und Rahmenbedingungen), S. 12, sowie Protokoll der Hauptversammlung der EIH AG vom 23. April 2009, Anlage III, Geschäftsbericht 2008, ohne Seitenangabe.

[7] John Vinocur, Loopholes Let Iran Off the Hook, in: New York Times, August 2, 2010.

[8] Siehe die Präambel der Sicherheitsratsresolution 1929 (2010), die der SR am 9. Juni 2010 als Dokument SC/9948 veröffentlichte.

[9] Stuart E. Eizenstat, Iran Sanctions: Where We go From Here. A coordinated strategy by the U.S. and the European Union will determine success or failure, in: WSJ, July 2, 2010.

[10] Siehe Annex II des Ratsbeschluss der Europäischen Union vom 26. Juli 2010 a.a.O., S. L 195/60ff.

[11] EU friert iranische Bankkonten ein, in: Spiegel-Online, 23. Juni 2008.

[12] Germany Trade & Invest, Europäisch-Iranische Handelsbank eröffnet Niederlassung in Teheran/Kapitalbeschaffung für Investitionen wichtigstes Ziel, 27.06.2008, unter http://www.gtai.de/fdb-SE,MKT200806268034,Google.html (Am 28.9.2010 gelesen.)

[13] Telefonische Auskunft vom 16. September 2010.