Leserbrief für „Konkret“

Heft 4/2002, nicht veröffentlicht

Von Matthias Küntzel

April 2002

Schon 1998 hielt es Hermann L. Gremliza für angebracht, meine im Kontext der Goldhagen-Debatte formulierte Kritik an „konkret“ mit einem Verratsvorwurf zu kontern (Heft 2/98 und 3/98). Nun versucht er´s erneut: „Woher dieser Zwang, aus der Kritik der Verhältnisse in das Bekenntnis zu den Guten zu flüchten, die es doch nicht gibt? Einige, diese Prognose ist nicht riskant, suchen auf diesem küntzlichen Umweg den Anschluß ans teure Vaterland.“ (Heft 3/02) „Bekenntnis zu den Guten“? „Anschluß ans teure Vaterland“? Gremliza geriete in Schweiß, wollte er auch nur ein Spurenelement dieser Andeutungen in Küntzels Texten verifizieren. Seine Insinuation ist verleumderisch, sonst nichts. Brachte ihn meine Kritik an der Ausrichtung des letzten KONKRET-Kongresses („Schöne alte Welt“, in: „Jungle World“ 5/02) derart aus der Contenance?

Diesen Eindruck vermittelt seine Polemik in „express“, die in dem Aufruf gipfelt: „Hätte der Küntzel gewagt, meine zwei Sätze unverstümmelt wiederzugeben, hätte er sich seinen ganzen Artikel in die Fuge streichen können.“(Heft 3/02) Wieso denn „gewagt“? Mit Vergnügen hätte ich von der Zeilenvorgabe abgesehen und ihn in Gänze zitiert.

Gremliza schreibt in „express“: „Küntzel hat den Grund, der die Nichtbeteiligung von US-Diensten [am WTC-Anschlag vom 11. September] so schwer vorstellbar macht, nämlich die vor einem US-Gericht erwiesene, in dem US-Film und von mir darauf zitierte Beteiligung von US-Diensten am ersten Anschlag von Islamisten auf das World Trade Center, aus meinem Zitat hinausgefälscht.“ Fälschung? Ich halte Gremlizas Behauptung, wonach die Teilnahme von US-Agenten beim Anschlag von 1993 vor einem US-Gericht nachgewiesen worden sei, für unzutreffend. Nach Auskunft der wohl detailliertesten Auswertung jener Gerichtsprotokolle war das FBI an diesem Anschlag nicht beteiligt, sondern wurde von ihm überrascht. (Laurie Mylroie, Study of Revenge, Washington D.C., 2000) Dass ich diese Unstimmigkeit in meinem Kurzkommentar nicht thematisieren konnte, hat mit Fälschung ungefähr so viel zu tun, wie das Wegkippen von verschimmeltem Kaffee mit Mundraub.

Weiter schreibt Gremliza: „Daß ich die schwer vorstellbare Nichtbeteiligung einschlägiger Dienste ,doch möglich‘ genannt und den Folgen dieser Möglichkeit meine ganze Kolumne gewidmet hatte, muß Küntzel hinwegschwindeln, um meinem Faible für die Verschwörungstheorie keinen Schaden zuzufügen.“ Schwindel? Gremliza verschweigt, was jeder in meinem Artikel (z.B. unter www.hagalil.com) nachlesen kann: Ich kritisiere nicht nur jene „Verschwörungstheorie“, sondern setze mich ebenfalls („So wäre das Massaker demnach auch zu erklären…“) mit seiner „Rächertheorie“ auseinander, derzufolge nicht das Interesse der Geheimdienste, sondern Osama Bin Ladens Irre-Werden an den kapitalistischen Zuständen den 11. September bewirkt haben soll.
Beide Deutungen kritisierte ich so, wie Hoffnung auf spätere Einsicht es verlangt: argumentativ. Dass Gremliza darauf mit aufgemalten Worten wie „Fälschung!“, „Schwindel!“, „Anschluß ans teure Vaterland!“ reagiert, spricht für sich.

Matthias Küntzel

„Konkret“ lehnte die Veröffentlichung dieses Leserbriefes ab.