Sind 500.000 Plastikschlüssel genug? (Langfassung)

Ahmadineschad und die Sonderbeziehung Deutschland-Iran

Von Matthias Küntzel

Phase 2, März 2006

Bei Mahmoud Ahmadinejad muss ich immer an die 500.000 Plastikschlüssel denken, die der Iran während des Krieges gegen den Irak (1980-88) aus Taiwan importierten ließ. Damals regelte ein iranisches Gesetz, dass Kinder ab zwölf auch gegen den Willen ihrer Eltern auf die Minenfelder durften. Vor jedem Einsatz wurden ihnen ein Plastikschlüssel um den Hals gehängt, der ihnen, so die Zusicherung, die Pforte zum Paradies öffnen werde. Die halbamtliche iranische Tageszeitung ,Ettela’at’ rühmte den Tod der Kindermärtyrer so: „Früher sah man freiwillige Kinder, vierzehn-, fünfzehn-, sechzehnjährige. ... Sie gingen über Minenfelder. Ihre Augen sahen nichts, ihre Ohren hörten nichts. Und wenige Augenblicke später sah man Staubwolken aufsteigen. Als sich der Staub wieder gelegt hatte, war nichts mehr von ihnen zu sehen. Irgendwo, weit entfernt in der Landschaft, lagen Fetzen von verbranntem Fleisch und Knochenteile herum.“ Dieser Zustand habe sich aber in der Zwischenzeit verbessert, versicherte ,Ettela’at’: „Vor dem Betreten der Minenfelder hüllen sich die Kinder [jetzt] in Decken ein und rollen auf dem Boden, damit ihre Körperteile nach der Detonation der Minen nicht auseinanderfallen und man sie zu den Gräbern tragen kann.“[1]

Die sich so in den Tod rollten, gehörten der von Khomeini ins Leben gerufenen Massenbewegung der Basitschi an. Die Basitschi-e Mostasafan („die Mobilisierten der Unterdrückten“) waren kurzfristig rekrutierte Milizionäre, die in religiöser Umnachtung begeistert in ihren Tod liefen. „Die jungen Männer räumten mit ihren eigenen Körpern die Minen“, so ein Kriegsveteran, „es war zum Teil wie ein Wettrennen, ohne Befehl der Kommandeure, jeder wollte der erste sein.“[2]

Die Basitschi setzten sich hauptsächlich aus Jungs im Alter von 10 bis 17 Jahren zusammen. Viele wurden über paramilitärische Veranstaltungen ihrer Schulen rekrutiert. Die einen zogen mit der Zustimmung ihrer Mütter in den Krieg, die für jedes gefallene „Märtyrerkind“ mit Sonderzahlungen rechnen konnten. Andere zogen unter Missachtung der elterlichen Gebote in den Tod.

Bis Oktober 1985 hatte man nach offiziellen Angaben etwa eine Millionen Basitschi für jeweils drei Monate an die Front geschickt. Die dreifache Anzahl an Basitschi hatten bis zu diesem Zeitpunkt ihre obligatorische 14-tägige „Ausbildung“ durchlaufen: Waffen, an denen man üben könnte gab es zwar nicht, dafür aber aber jede Menge religiöse Gehirnwäsche.

Und so sah die Taktik dieser Menschenwellen aus: Die Kinder mussten in waagerechter Reihe stur nach vorn laufen. Ob man als Kanonenfutter dem feindlichen Feuer entgegenlief oder Minen zur Explosion brachte: Wichtig war, das die Basitschis über die zerfetzten oder verstümmelten Menschenreste diszipliniert hinwegstiegen und sich in immer neuen Wellen in den Tod warfen.[3] Mit dieser Taktik erzielte der Iran 1982 militärische Anfangserfolge. Bald aber stellten sich die Iraker darauf ein und metzelten die vorstoßenden Reihen regelrecht ab. Dabei sollen einige hunderttausend Menschen getötet worden sein.[4]

Khomeinis Vermächtnis

Einsätze wie die der Basitschi hatte es in der an Grausamkeiten nicht gerade armen Geschichte des Islam nie zuvor gegeben. Khomeini war sich über diesen Umstand durchaus bewusst. Seine Revolution habe aus den Iranern ein Volk gemacht, das nicht nur freiwillig in den Krieg ziehe, erklärte er 1982. „Wenn sie in den Krieg ziehen wollen, tun sie es so, als wollten sie Hochzeit feiern. Das hat es nicht einmal in der Anfangszeit des Islam gegeben.“[5] In der Tat!

Zwar hatte die sunnitischen Muslimbrüder in Ägypten unter Hassan al-Banna schon in den 30er Jahren den Niedergang der Muslime mit deren „Liebe zum Leben“ begründet und die Sehnsucht nach dem Tod als Heilmittel für einen Machtzuwachs der Muslime propagiert. In seinem berühmten Essay „Die Todesindustrie“ schieb al-Banna 1938: „Die Illusion, die uns gedemütigt hatte, besteht in nichts anderem, als der Liebe zum weltzugewandten Leben und dem Hass auf den Tod.“ Derjenigen muslimischen Nation aber, „welche die Industrie des Todes perfektioniert und die weiß, wie man edel stirbt, gibt Gott ein stolzes Leben auf dieser Welt und ewige Gunst in dem Leben, das noch kommt.“[6]

Doch hatten weder al-Banna noch der 1966 in Ägypten hingerichtete Sayyid Qutb jemals einen Kult der Selbstmordattentate propagiert, wie ihn später die Hamas praktizierte.

Der entscheidende Anstoß für jene Weiterentwicklung der Märtyreridee kam aus dem Iran. Mit dem Gedankengut der Muslimbrüder war Khomeini seit 1937 vertraut.[7] Zwar hatte einer seiner wichtigster Gesprächpartner aus jener Zeit, Mohammad Nawab-Safivi schon damals über die Verschmelzung des Muslimbrüder-Ansatzes mit den Spezifika schiitischer Traditionen nachgedacht.[8] Es bedurfte aber der schiitischen Machtergreifung von 1979, bevor jene Verschmelzung gelang und sich al-Bannas abstrakter Todeswahn im Märtyrerkult der Basitschi konkretisierte. Die Basitschi wiederum dienten den ersten libanesischen Selbstmordattentätern der Hizbullah als Vorbild. So verübte am 11. November 1982 ein 15-jähriger Sympathisant der im Aufbau befindlichen Hisbollah im südlichen Libanon das erste islamistisch begründete Selbstmordattentat gegen Israelis.

Seit Anfang der neunziger Jahre wurde das islamisch motivierte Selbstmordattentat auch von den Muslimbrüdern von Palästina, der Hamas, praktiziert. Damit war die Akzeptanz der suizidalen Massenmorde auch im sunnitischen Islam durchgesetzt. „Der Baum des Islam kann nur wachsen, wenn er ständig mit dem Blut der Märtyrer getränkt wird“, hatte Khomeini während des Krieges gegen den Irak proklamiert. [9] Man wird die Umsetzung dieser Devise als das wohl wichtigste Vermächtnis Khomeini bezeichnen müssen: Die mobilisierende Farbe der Schiiten – das Rot des Märtyrerblutes – wurde zum Kennzeichen für den Islamismus in aller Welt.

Ahmadinejads SA

Bis heute verstehen sich die Basitschi als die Sturmabteilung der islamischen Revolution. Sie sind ihren (Revolutions-)Führer in absoluter Treue ergeben und werden vorwiegend als „Sittenpolizei“ oder als Schlägerbande gegen Oppositionelle (wie 1999 und 2003 bei der Zerschlagung der Studentenbewegung) eingesetzt. Den Kult der Selbstaufopferung zelebrieren sie täglich neu.

Die Basitschi sind mit ihren mehreren Millionen Mitgliedern Ahmadinejads wichtigste Bastion. Im Krieg diente er als Basitschi-Instrukteur. Auch als Staatspräsident tritt er immer wieder in Basitschi-Uniform auf.

Die Basitschi trugen wesentlich zu seinen Wahlerfolgen bei: Im Sommer verpflichtete eine Fatwa von Ayatollah Yazdi, dem religiösen Mentor Ahmadinejads, die Basitschi, für Ahmadinejad zu stimmen.[10] Ende Juli 2005 kündigten die Basitschi die Erhöhung ihrer Mitgliederstärke von 10 Millionen auf 15 Millionen bis 2010 an. Die Spezial- und Eliteeinheiten dieser Organisation sollen bis dahin 150.000 Personen umfassen. Im August wurden die Machtbefugnisse der Basitschi als inoffizielle Hilfspolizei weiter ausgebaut. Bisheriger Höhepunkt dieser Bewegung war die „Basitschi-Woche“ im November 2005. Nach einem Bericht der Zeitung Kayan beteiligten sich hieran neun Millionen Basitschi, die „eine Menschenkette über eine Entfernung von 8.700 Kilometern (bildeten), an der auch Prädident Ahamdinejad teilnahm. Allein in Teheran waren 1.250.000 Menschen auf der Straße.“[11]

Ahmadinejad rühmte bei dieser Gelegenheit die „Basitschi-Kultur und Basitschi-Macht“, mit der der Iran heute „auf der internationalen und weltdiplomatischen Ebene präsent“ sei. Der Vorsitzende des Wächterrates, Ayatollah Ahmad Jannati, stellte selbst die Existenz des iranischen Atomprogramms als einen Erfolg jener Menschen dar, „die der Basitschi-Bewegung dienen und eine Basitschi-Psyche und Basitschi-Kultur besitzen“ und fügte hinzu: „Wir brauchen eine 20-Millionen-Armee von Basitschis. Eine solche Armee muss bereit sein, für Gott zu leben, auf dem Wege Gottes zu sterben und den Jihad zu führen, um Gott zu gefallen.“[12]

Diese Basitschi-Mobilisierung, die in den westlichen Medien kaum wahrgenommen wird, verdeutlicht dreierlei: Erstens kündet sie von der Entschlossenheit Ahmadinejads, seine „zweite Revolution“ um jeden Preis gegen innenpolitische Widerstände durchsetzen zu wollen. Zweitens soll die erwiesene Bereitschaft der Basitschi zur Selbstopferung („Basitschi-Psyche“) westlichen Interventionsplänen einen Strich durch die Rechnung machen. Drittens aber wird mit der forcierten Basitschi-Mobilisierung an den Krieg der Achtziger Jahre angeknüpft und die Bevölkerung auf neue Konfrontationen mit der „Welt der Arroganz“ eingestimmt. So legte vor drei Jahren der damalige iranische Präsident Hashemi Rafsanjani dar, dass schon „eine einzige Atombombe innerhalb Israels alles zerstören“ würde, während der Schaden des potentiellen Gegenschlags für die islamische Welt begrenzbar sei. „Solch eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ist nicht irrational.“[13] Nicht irrationaler jedenfalls, als Zehntausende iranische Jungen auf Minenfelder zu jagen. „Diese Märtyrer“, erklärte Rafsanjani Ende am 30. November 2005 auf einer Basitischi-Konferenz, „liefern ein großartiges Beispiel für ein ruhmreiches Leben.“ Auch wenn in einem Atomkrieg Hunderttausende Iraner „ruhmreich“ in den Tod gerissen würden, so die Logik Rafsanjanis, würde die islamische Welt einen Gegenschlag noch überleben, während Israel schon beim Erstschlag vernichtet sei. Es ist dieses im Wortsinn selbstmörderische Kalkül, das die iranische Atomambition von den Interessen aller anderen Atommächte unterscheidet und trennt. Wenn es heute aber unter den westlichen Nationen überhaupt eine gibt, die diesem Wahnsinn mit ökonomischen Maßnahmen entgegentreten könnte, dann die deutsche.

Wie reagiert Berlin bisher auf Teheran?

Seit 25 Jahren dient die Bundesregierung sich schamloser als jede andere westliche Regierung bei den antisemitischen Mullahs an. 1984 machte Hans-Dietrich Genscher als erster westlicher Außenminister dem Regime seine Aufwartung. Dass in Teheran die Köpfe und auf Schlachtfeldern die in Teppiche gewickelten Todeskandidaten rollten, störte ihn nicht. Zehn Jahre später trainierte der Bundesnachrichtendienst iranische Geheimdienstler in München.[14] Und während amerikanischen Firmen der Handel mit Iran seit 1995 untersagt ist, wird „Deutschland … auch in den kommenden Jahren der Wunschtechnologiepartner Irans sein“, schwärmte 2003 der Präsident des deutschen Nah- und Mittelostvereins, Werner Schoeltzke. „Außenminister Fischer … ist in Teheran eine Lichtgestalt.“[15]

Heute ist Deutschland mit konstanten Wachstumsraten von über 20 Prozent das mit Abstand wichtigste Lieferland für den Iran. „Zu keinem anderen Land hat Iran so enge Handelsbeziehungen, wie zu Deutschland“, betonte im Januar 2006 die FAZ. „Waren im Wert von mehr als 4 Milliarden Euro exportierten heimische Unternehmen in das Land. ... Unternehmen wie Linde, Volkswagen und Lurgi sind in Iran engagiert. Diese Geschäfte werden weitgehend von der heimischen Kreditwirtschaft finanziert.“[16] Gleichzeitig ist die Bundesrepublik der größte Abnehmer iranischer Nichtölprodukte sowie der größte Gläubiger des Iran.[17]

Seitdem Ahmadinedschad der Weltöffentlichkeit das ideologische Fundament der Mullah-Diktatur: Holocaust-Leugnung, Israel-Vernichtung und Judenhass – so nachdrücklich in Erinnerung ruft, ist Berlin jedoch in einer Bredouille. Einerseits möchte man die deutsche Sonderbeziehung zu Teheran auch jetzt nicht gefährden.[18] Andererseits sieht es nicht gerade gut aus, wenn das Land der Holocaust-Mörder mit dem Regime der Holocaust-Leugner paktiert. Deutschlands neuer Vizekanzler, Franz Müntefering (SPD), deutete am 11. Dezember den Ausweg aus diesem Dilemma an: „Berlin fordert eine ,Reaktion’ auf Ahmadineschad“ lautete am Folgetag die Schlagzeile der FAZ. Dies klang überraschend radikal. Wer das Kleingedruckte las, merkte aber schnell, wie diese Schlagzeile zu verstehen war: „Berlin fordert von allen anderen eine ,Reaktion’ auf Ahamdineschad“. Der Vizekanzler wird in dem Bericht wie folgt zitiert: „Das können wir nicht allein bewegen, sondern das muss im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft in aller Deutlichkeit angesprochen sein und das muss im Rahmen der Vereinten Nationen in aller Deutlichkeit angesprochen sein.“[19]

Wie bitte? Deutschland könne alleine nichts bewegen? Nur die Bundesregierung kann das 2002 unterzeichnete Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und dem Iran kündigen. Nur Berlin kann die Hermes-Bürgschaften für Iran-Investoren beenden, die den Iran vor nahezu allen anderen Ländern der Welt bevorzugt. „Hermes-Bürgschaft“ bedeutet, dass der deutsche Staat alle spezifischen Risiken, die mit Investitionen im Iran verbunden sind, übernimmt. Schon 1992 wurden für Exporteure in den Iran die nach Russland zweithöchsten „Hermes-Bürgschaften“ gewährt. Seither wurden der Umfang dieser „Hermes“-Deckungen ständig ausgeweitet. Dieser unerhörten Privilegierung der Mullah-Diktatur ein Ende zu bereiten, ist politisch aber unerwünscht. Münteferings radikale Rhetorik ist die Begleitmusik zum „business as usual“. Die starken Worte an die Adresse der EU und der UN dienen dem Zweck, den bislang immer noch vollständigen Verzicht auf materielle Konsequenzen im Verhältnis Deutschland-Iran zu bemänteln. Während die Bundesregierung beim EU-Gipfel lautstark „ein klares Signal der schärfsten Missbilligung“ fordert, spricht sie sich im Bundestag kleinlaut „gegen eine Isolierung des Landes aus“.[20] Während Angela Merkel die iranische Führung auf internationalen Konferenzen wortstark kritisiert, gibt sich die Wirtschaftsbeilage der FAZ erleichtert: „Nach Ansicht der Unternehmen ist mit einer Entscheidung über mögliche Sanktionen im Weltsicherheitsrat nicht vor dem kommenden Herbst zu rechnen. Daher bestehe genügend Zeit, Sanktionen zu verhindern.“[21] Ein so gewichtiger Politikberater wie Volker Perthes , seines Zeichens Direkter der Stiftung Wissenschaft und Politik, fordert die Bundesregierung gar zu einer neuen „strategischen Partnerschaft“ mit den Todeswahnsinnigen von Teheran auf: Auf „die Frage, ob es politisch klug ist, auf Partnerschaft mit einem Staat zu setzen, dessen Nuklearpolitik zumindest Misstrauen auslöst“, empfiehlt er ein entschiedenes Ja. Gerade jetzt „kann und sollte (man) Iran durchaus weit reichende Formen der Zusammenarbeit in Aussicht stellen.“ Man müsse dieses Land „als das akzeptier(en), was es einem weit reichenden inneriranischen Konsensus nach sein will: eine Ernst zu nehmen regionale Mittelmacht mit dem Potenzial, zum wichtigsten Partner Europas in Nahost zu werden.“[22] Glaubt Perthes ernsthaft, Deutschland an der Seite eines nuklear bewaffneten Iran gegen Amerika an der Seite eines nuklear entwaffneten Irak in Stellung bringen zu können?

Und die linke Opposition? Sollte man nicht annehmen, dass der Vorrang elementarster Menschenrechte vor großindustriellen Interessen ein vorrangiges Anliegen der „Grünen“ und der Fraktion „Die Linke“ sei? Weit gefehlt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, lässt sich dieses Lager seinen verschwörungstheoretisch motivierten Hass auf „BuSharon“ auch durch die Holocaust-Leugner von Teheran nicht nehmen. „Gäbe es den iranischen Präsidenten Ahmadinejad nicht, müssten ihn die USA und Israel erfinden“, schreibt beispielsweise die den Grünen nahestehende Tageszeitung „taz“. Ahmadinejads Worte seien nur deshalb ernst zu

nehmen, „weil sie den USA und Israel … einen willkommenen Vorwand liefern.“[23] Noch schlimmer der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Norman Peach: Natürlich habe der Iran das Recht, Uran im eigenen Land anzureichern. „Wirtschaftliche und politische Sanktionen“ seien „höchst gefährlich und kontraproduktiv.“ Die Denuklearisierung Israels sei „das einzige Mittel, mit dem sich ein iranisches Atomwaffenprogramm dauerhaft verhindern lässt.“[24]

Und so vereinigten sich am 16. Dezember 2005 alle im Bundestag vertretenen Parteien, um der Müntefering-Linie in einer einstimmig verabschiedeten Resolution, die das deutsch-iranische Sonderverhältnis nicht einmal erwähnt, Beifall zu spenden: „Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung den Äußerungen des iranischen Präsidenten entgegengetreten ist.“[25] Na bravo und auch weiter viel Erfolg! Es würde mich bei so viel industriepolitischer Verantwortung nicht wundern, wenn Ahmadinejad das nächste Sortiment an Plastikschlüsseln für seine Basitschi bei einer deutschen Firma bestellt. Ob aber 500.000 Paradiesschlüssel für den Krieg gegen Israel ausreichen werden?


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[1] Zitiert nach Baham Nirumand, Krieg, Krieg, bis zum Sieg, in: Anja Malanowski und Marianne Stern, Iran-Irak. ,Bis die Gottlosen vernichtet sind’, Reinbek 1987, 95f.

[2] Zit. nach Christiane Hoffmann, Vom elften Jahrhundert zum 11. September. Märtyrertum und Opferkultur sollen Iran als Staat festigen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 4. Mai 2002.

[3] Instruktuv ist der Bericht des “Kindersoldaten” Reza Behrouzi. Vgl. Sahebjam, Freidoune , „Ich habe keine Tränen mehr“, Reinbek 1988.

[4] Harald Möller, Der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran: Endogene und exogene Bestimmungsfaktoren – ein Beitrag zur Kriegsursachendiskussion, Berlin 1995, 151.

[5] Dawud Gholamasad & Arian Sepideh, Iran: Von der Kriegsbegeisterung zur Kriegsmüdigkeit, Hannover 1988, 15.

[6] M. Küntzel, Djihad und Judenhass, Freiburg 2002, 23.

[7] Taheri, Amir, The Spirit of Allah, London et. al.1985, 97.

[8] Über die Spezifika der Shia wie Hussein-Kult und Märtyrer-Orientierung, Messianismus und Elitebewusstsein, Blut-Kult und Massenhysterie, ohne die das Basitschi-Phänomen kaum erklärbar scheint, gehe ich an anderer Stelle ein.

[9] Nirumand, a.a.O., 89; 1986 wurde für der junge Hizbollah-Attentäter als „Held des Islam“ in Teheran mit einem Denkmal geehrt. Dessen Familie wurde mit einem persönlichen Schreiben Khomeinis bedacht. Vgl. Joseph Croitoru, Der Märtyrer als Waffe, München 2003, 132.

[10] Alfred Hackensberger, Die zweite Revolution, in: konkret 2/2006.

[11] Zit. nach der ausgezeichneten Zusammenstellung von Wahied Wahdat-Hagh, Bassiji: die revolutionäre Miliz des Iran, in: MEMRI Special Dispatch vom 20.Dezember 2005. (http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/laender/iran/iran_bassiji_20_12_05.html)

[12] So Jannati in seiner Freitagspredigt vom 2. Dezember 2005, zit. nach Wahied Wahdat-Hagh, a.a.O.

[13] Zit. nach: MEMRI Special Dispatch Series, No. 324, 3 January 2002.

[14] Arthur Heinrich, Zur Kritik des ;Kritischen Dialogs’. Der Sonderweg Bonn-Teheran, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Mai 1996, 533 und 536.

[15] „Iran ist wegen seines Wachstums wichtig“. Fragen an Werner Schoeltzke, den Präsidenten des Nah- und Mittelostvereins (Numov), in: (FAZ, 5. Dezember 2003.

[16] Heikle Geschäfte mit Iran, in: FAZ, 24. Januar 2005. „Einen abermaligen Zuwachs der deutschen Lieferungen nach Iran von deutlich mehr als 10 Prozent erwarten Unternehmen, die in Iran tätig sind, auch in diesem Jahr“ fügt die FAZ am 7. Februar 2006 hinzu.“

[17] Javad Kooroshy, Die wirtschaftliche Dimension der deutsch-iranischen Sonderbeziehungen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Januar 1997, 73.

[18] Wie man selbst der Holocaustleugnung einen Anschein von Normalität verleihen kann, demonstrierte ein führender FAZ-Kolumnist am 15. Dezember unter der Überschrift „Wie reagieren?“ Es sei verkehrt, so Bannas, das von Ahamdinedschad betriebene „Spiel der Isolierung mitzuspielen. Zu unterscheiden ist zwischen Existenzrechtbestreitung und Holocaustbestreitung. Erstere verlangt unbedingt nach Ächtung. Leugung oder Verharmlosung historischer Verbrechen aber kommt oft vor, so in der Türkei gegenüber den Armeniermorden, und wird, missbilligend zwar, hingenommen.“

[19] Berlin fordert eine ,Reaktion’ auf Ahamdineschad, in: FAZ, 12.12.2005

[20] Steinmeier: Geduld mit Iran nicht endlos, in: FAZ, 16.12. 2005. „Im Augenblick ist nicht erkennbar, was das auslösen soll“, erklärte Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt auf die Frage, ob deutsche Unternehmen nicht per Handelsembargo davon abgehalten werden sollten, in den Iran Waren im Welt von 3,6 Milliarden Euro zu liefern. Gernot Erler, in: Interview mit dem Deutschlandfunk vom 16. Dezember 2005.

[21] Sanktionen im Iran-Geschäft könnten Deutschland hart treffen, in: FAZ, 7. Februar 2005.

[22] Volker Perthes, Die iranische Herausforderung, in: Handelsblatt vom 10. Januar 2006.

[23] Baham Nirumand, Der Iranische Präsident betreibt das Geschäft der USA und Israels, in: taz, 15. Dezember 2005.

[24] MdB Prof. Dr. Norman Paech: Keine militärisch Lösung des Iran-Konflikts. Presseerklärung vom 16. Januar 2006.

[25] Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Existenzrecht Israels ist deutsche Verpflichtung, Drucksache 16/197.

aus: Phase 2, März 2006, S. 61-63