"Sachlich, hintergründig, kritisch und nahe am Menschen"

Katajun Amirpur und das "Netzwerk Fachjournalisten Islamische Welt"

Von Matthias Küntzel

Hamburg, den 7. März 2010

Neulich schrieb mir ein Bekannter, Katajan Amirpur habe einen seitenlangen Aufsatz mit der Überschrift „Eine Antwort auf Matthias Küntzel“ ins Netz gestellt habe. Nanu?, dachte ich. Antwort auf was? Ich wurde auf einem Blog fündig, der interessant aussah: Das „Netzwerk Fachjournalisten Islamische Welt“ auf www.nefais.net.

Hier „haben sich Autoren zusammengeschlossen“, lese ich auf der Begrüßungsseite, „die mit langjähriger Erfahrung, wissenschaftlichem Hintergrund und fremdsprachlicher Kompetenz über den Islam und seine Geschichte berichten – im Nahen und Mittleren Osten wie in Europa.“ Der Islam mache Schlagzeilen, heißt es da weiter. „Er verunsichert und bleibt doch für viele ein großes Rätsel. Die Autoren, die sich im ‚Netzwerk Fachjournalisten Islamische Welt’ zusammengeschlossen haben, arbeiten daher mit dem gleichen Ziel: Die islamische Welt verständlicher zu machen – sachlich, hintergründig, kritisch und nahe am Menschen.“

Bemerkenswert ist auch die Liste der 31 Mitglieder dieses Netzwerks. Hier präsentiert sich ein „Who’s Who“ der Berichterstatter über den Nahostkonflikt und die islamische Welt:

Katajun Amirpur, Publizistin, Köln
Ludwig Ammann, Publizist, Freiburg/Brsg.
Golineh Atai, Redakteurin WDR-Fernsehen, Köln
Kristina Bergmann, NZZ-Korrespondentin, Kairo
Björn Blaschke, Redakteur WDR-Hörfunk, Köln
Stefan Buchen, Autor ARD-Politikmagazin Panorama, Hamburg
Amira El Ahl, Freie Korrespondentin, Kairo
Karim El-Gawhary, ORF-/Zeitungskorrespondent, Kairo
Susanne El Khafif, Redakteurin DLF, Köln
Julia Gerlach, Freie Korrespondentin, Kairo
Thilo Guschas, Freier Journalist, Ahrensburg bei Hamburg
Florian Harms, CvD Spiegel Online, Hamburg
Gudrun Harrer, Leitende Redakteurin der Standard, Wien
Rainer Hermann, FAZ-Nahostkorrespondent, Abu Dhabi
Navid Kermani, Schriftsteller und Publizist, Köln
Victor Kocher, NZZ-Nahostkorrespondent, Limassol
Michael Lüders, Publizist, Politik- und Wirtschaftsberater, Berlin
Bettina Marx, Redakteurin Deutsche Welle, Berlin
Tobias Mayer, Freier Radioredakteur, Bochum
Albrecht Metzger, Freier Autor, Hamburg
Yassin Musharbash, Redakteur Spiegel Online, Berlin
Mona Naggar, Freie Korrespondentin, Beirut
Nadja Odeh, Redakteurin SWR, Baden-Baden
Jens-Uwe Rahe, Freier Redakteur DW-TV, Berlin
Christoph Reuter, stern-Korrespondent, Kabul
Hans-Christian Rößler, FAZ-Korrespondent Israel/Palästinensergebiete, Jerusalem
Martina Sabra, Freie Journalistin, Köln
Esther Saoub, Korrespondentin ARD-Hörfunk, Kairo
Isabel Schayani, Redakteurin ARD-Politikmagazin Monitor, Köln
Jürgen Stryjak, Freier Korrespondent, Kairo
Stefan Weidner, Publizist, Köln

Als ich in dem Blog zu lesen begann, erlosch mein Interesse recht schnell: kleine Artikelchen und Episoden, so abwechslungsreich und originell wie ein Satellitenstandbild.

Ganz oben aber prangt tatsächlich als allerneueste Meldung der auf den 21. Januar 2010 datierte Beitrag „Eine Antwort auf Matthias Küntzel“ von Katajun Amirpur – mit 22.606 Zeichen oder 3.332 Worten zweifellos das Monstrum dieses Blogs.

Ich kenne die Anzahl der Zeichen, weil Amipurs privat gehaltener Brief schon seit dem 20. Januar meine Festplatte ziert. Darin hat sie in der Tat versucht, mir „die islamische Welt“, jedenfalls die des Iran, „verständlicher“ zu machen. Sie schreibt:

„Wenn Ihnen ein Iraner sagt, wir beide sind Arier, dann ist das eher eine anti-islamische Äußerung als alles andere. Denn man will sich damit gemeinsam von den Arabern, den Semiten, absetzen.“

Und sie behauptet unter Berufung auf Hamid Algar, dem vielleicht treuesten Khomeini-Bewunderer der USA, dass sich bis heute „die Sekundärliteratur nicht einig darüber (ist), was genau die Punkte waren, die Khomeini am Schah kritisierte. Uneinigkeit besteht vor allem in der Frage, ob Khomeini … gegen das Frauenwahlrecht war.“

Wenn „langjährige Erfahrung, wissenschaftlicher Hintergrund, fremdsprachliche Kompetenz über den Islam und seine Geschichte“ solche Früchte hervorbringt, wünsche ich dem „Netzwerk Fachjournalisten Islamische Welt“ noch viel Glück.

Das eigentliche Problem dieses Textes ist jedoch seine Funktion. Amirpur verfasste diesen Brief, weil sie von einem Redakteur von Deutschlandradio Kultur dazu aufgefordert worden war. Sie sollte allerdings keine Abhandlung über die iranische Geschichte schreiben, sondern erklären, wie Sie eine Reihe abstruser Behauptungen über mein Buch Die Deutschen und der Iran, das sie am 10. Januar 2010 im Radio rezensierte, belegen will.

Auf die fraglichen Punkte meines Protestschreibens an den Sender, das der Redakteur an sie weitergeleitet hatte, geht sie jedoch so gut wir gar nicht ein. Sie macht sich stattdessen eine Riesenarbeit (22.606 Zeichen!), um davon abzulenken, dass sie ihre Verleumdungen nicht belegen kann.

Sie war nicht einmal in der Lage, meinen Vorwurf, mich mehrfach falsch zitiert zu haben, zu überprüfen. „Wo soll ich Sie (denn) falsch zitiert haben?“ fragt Sie unschuldig in Ihrer Erwiderung. „Da komme ich leider nicht weiter.“

Bei so viel Ehrlichkeit wollte ich kein Halunke sein, setzte mich hin und listete in meiner Antwort von Januar 2010 die fünf Falschzitierungen sowie einiges andere auf.

Bitte finden Sie weiter unten mein Protestschreiben an Deutschlandradio Kultur vom 14.1. 2010, den Verweis auf Ihren bei www.nefais.net veröffentlichten Brief vom 20. 1. 2010 sowie meine abschließende Erwiderung vom 27. 1. 2010.

Mein Schreiben vom 14. Januar 2010 an Deutschlandradio Kultur:

Katajun Amirpurs Rezension meines Buches „Die Deutschen und Iran“ in Ihrer Sendung „LesArt“ vom 10. Januar 2010

Sehr geehrter Herr …

die Ausstrahlung der oben genannten Rezension in Ihrer Sendung „LesArt“ hat mich überrascht. Ich begrüße Kritik, auch scharfe Kritik, sofern sie sich am Text meines Buchs orientiert. Leider hat sich Ihre Autorin ein Buch ausgedacht, dass es so nicht gibt.

Ihre Autorin schreibt: „Man fragt sich, wo Küntzel seine Informationen über die iranische Geschichte her nimmt. Es gibt eine ganze Palette hervorragend recherchierter Sekundärliteratur.“ Ich berichte aber sehr genau – zum Beispiel auf Seite 18 und 98 –, auf welche Quellen ich mich stütze. Mein über 150 Bücher umfassendes Literaturverzeichnis, das jene „hervorragend recherchierte“ Literatur natürlich einschließt, wird ebenso wenig erwähnt, wie meine Sammlung neuer Fundstücke aus Archiven in Washington D.C. und Berlin, auf die sich meine Arbeit ebenfalls und erklärtermaßen stützt.

Ihre Autorin schreibt: „Die Hitlerbegeisterung also ist für Küntzel der Grund für das bis heute sehr gute deutsch-iranische Verhältnis.“ Diese Behauptung ist von geradezu atemberaubender Absurdität, wie schon ein Blick auf meine Zusammenfassung (S. 291-298) zeigt.

Hätte ich derart blanken Unsinn geschrieben, wären die positiven Rezensionen meines Buches (u.a. im Deutschlandfunk, im Hessischen Rundfunk, in der Süddeutschen Zeitung, der Welt, dem Tagesspiegel und dem Handelsblatt) nicht zu erklären. Auf dieser wirklich dreisten Unterstellung bauen die weiteren harschen Worte ihrer Autorin („haarsträubend“, „von einer absoluten Unkenntnis geprägt“, „dumm daran ist nur, dass das nicht stimmt“) aber auf.

Ihre Autorin schreibt: „Küntzel … lässt alles weg, was nicht zu … seiner Agenda passt.“ Warum aber werden meine „Agenda“ – die in der Einleitung detailliert aufgeschlüsselte Intention meiner Studie – sowie der Aufbau dieses Buchs in einer „LesArt“- Rezension nicht einmal erwähnt?

Ich behaupte keineswegs, wie Ihre Autorin insinuiert, „dass Iran die Judenvernichtung plane“, dass „aus den Äußerungen Ahmadineschads auf die [iranische] Gesellschaft zu schließen“ sei oder dass „die Iraner … ein Volk von Antisemiten und Hitlerverehrern“ sei. Warum wird mein Standpunkt im Deutschlandradio derart entstellt?

Hier wurde offenkundig mit vorgefasster Meinung ein Text verfasst, der nur von dieser Meinung diktiert wurde und nicht vom Inhalt meiner Aussagen; ein Text, der nicht nur mein Buch, sondern auch mich als Politikwissenschaftler vor großer Hörerschaft ungerechtfertigt in Misskredit bringt. Dazu passt, dass Ihre Autorin mich an fünf Stellen – teilweise sinnentstellend – falsch zitiert.

(...)

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Ihr
Matthias Küntzel

Katajun Amirpurs Erläuterungen vom 20. Januar 2010 finden sich hier

Ich schrieb ihr darauf am 27. 1. 2010:

Sehr geehrte Frau Amirpur,

ich bedanke mich für Ihren Brief und vor allem dafür, dass Sie diesmal auf die Verwendung von Vokabeln wie „haarsträubend“, „absolute Unkenntnis“ und „absurd“ verzichteten.

Der zuständige Redakteur des Deutschlandradio gab meine Beschwerde über Ihre Rezension an Sie weiter, um Ihnen Gelegenheit für eine Stellungnahme zu geben. Ich verwahrte mich in dieser Beschwerde gegen Ihre wahrheitswidrige und sinnentstellende Zusammenfassung meines Buchs: „Die Hitlerbegeisterung also ist für Küntzel der Grund für das bis heute sehr gute deutsch-iranische Verhältnis.“ Leider finde ich in Ihrem umfangreichen Schreiben keine Zeile, die diese Behauptung wenigstens nachträglich zu belegen sucht.

Sie erklärten in Ihrer Rezension, ich würde in dem Buch „aus den Äußerungen Ahmadinejads auf die [iranische] Gesellschaft“ schließen. Dies ist, wie ich in meiner Beschwerde mitteilte, nicht wahr. Auch auf diesen Einwand gehen Sie nicht ein.

Sie unterstellten mir in Ihrer Rezension die Behauptung „dass Iran die Judenvernichtung plane“. Diese Aussage stammt nicht von mir. Sie berufen sich auf meine „Auffassung, Ahmadinejad würde den Angriff auf Israel wollen und planen“. Ich finde die Leichtfertigkeit, mit der Sie „Judenvernichtung“ und „Angriff auf Israel“ in Eins setzen, erstaunlich.

Sie behaupteten in Ihrer Rezension, ich würde „die Iraner als ein Volk von Antisemiten und Hitlerverehrern (hinstellen)“. Auch hierfür kann mein Buch als Quelle nicht dienen. So heißt es bei mir nicht: „Es kommt regelmäßig vor…“, sondern: „Es kommt vor, dass man [als Deutscher] mit dem erhobenen Arm begeistert begrüßt wird.“

Anstatt mir auch nur ein einziges Pauschalurteile über „die Iraner“ nachzuweisen, lenken Sie die Aufmerksamkeit auf die „Betonung des Ariertums“ in Iran, „die – so kann man kaum anders schließen – eine antisemitische Komponente hat.“ Mein Buch tritt diesem Fehlschluss jedoch ausdrücklich und explizit entgegen und weist nach, dass diese von den Nazis bekannte antisemitische Komponente beim iranischen Verständnis von „Ariertum“ nicht existiert.

Sie haben schließlich in Ihrer Rezension behauptet: „Küntzel … lässt alles weg, was nicht zu … seiner Agenda passt.“ Sie rechtfertigen diese Aussage in Erwiderung meines Protestes damit, dass ich „den Konflikt zwischen dem Schah und Khomeini auf die Frauenemanzipation“ reduziert und all die anderen Konfliktlinien weggelassen hätte. Dies trifft jedoch nicht zu, wie meine Ausführungen auf Seite 112-119 belegen. In Wirklichkeit stelle ich alle relevanten Konfliktlinien zwischen Schah und Khomeini dar.

Sie komplettieren diese Liste mit Ihrem Hinweis, auch jetzt noch nicht erkennen zu können, wo Sie mich in Ihrer Rezension falsch zitierten. Ich will Ihnen helfen:

Sie zitieren mich mit den Worten: „Seither ist sie vom Nationalismus kontaminiert.“ In meinem Buch heißt es (auf S. 293): „Seither ist sie vom Nationalsozialismus kontaminiert.“
Aus meinem Satz: „Nicht selten wird der Nationalsozialismus und dessen Bündnis mit Iran mit einem unreflektiertem Stolz in Erinnerung gerufen“ (ebd.) machen Sie: „Nicht selten wird der Nationalsozialismus mit einem unreflektierten Stolz in Erinnerung gerufen.“
Ich schreibe (ebd.): „dass den Iranern…“ – sie zitieren „dass Iran“; ich schreibe: „erspart worden ist“ – sie zitieren: „erspart geblieben ist“; ich schreibe: „vielleicht auch ein bisschen“ – sie zitieren: „vielleicht ein bisschen“.

Sie hielten es nicht für nötig, meinen Vorwurf der Falschzitierung zu überprüfen. Ihre Ermahnung an meine Adresse, zukünftig „präziser“ zu sein, hat hierdurch an Glaubwürdigkeit nicht gewonnen.

Den Schwerpunkt Ihres Schreibens widmen Sie der Quellenkritik. Ich begrüße ausdrücklich diese neue Dimension einer Auseinandersetzung mit meinem Buch, erwarte allerdings auch auf diesem Gebiet eine präzise Argumentation. Leider kann davon nicht immer die Rede sein.

Sie schreiben in Ihrer Rezension und wiederholen dies in Ihrem Brief:
„Küntzel liegt in einigen Fällen so nachweislich falsch, dass es dem Leser schwer fällt, ihm da Glauben zu schenken, wo er Recht haben könnte. ... Wenn er behauptet, dass Ahmadinejad im Jahre 1979 an der Besetzung der Teheraner US-Botschaft beteiligt gewesen sein soll, obschon selbst der amerikanische Geheimdienst bereits vor Jahren erklärt hat, dass dem nicht so war, dann macht er sich einfach unglaubwürdig.“

Sie schieben mir hier eine Behauptung zu, die in Wirklichkeit der damalige iranische Präsident Bani-Sadr geäußert hat, auf den ich mich in aller Vorsicht, also im Konjunktiv, beziehe. In meinem Buch liest sich die Passage so:

„Einer der führenden Köpfe dieser Geiselnahme soll der 23-jährige Mahmoud Ahmadinejad gewesen sein. Nach Auskunft des damaligen iranischen Präsidenten Abolhassan Bani-Sadr war er während der Geiselnahme mit einer besonderen Aufgabe betraut…“

Es ist ihr gutes Recht, dem amerikanischen Geheimdienst als Quelle eher zu vertrauen, als dem Mann, der damals Irans Präsident war. Doch haben Sie kein Recht, den Fehler, den Sie Bani-Sadr unterstellen, mir zur Last zu legen und Ihre Zuhörerschaft über die Tatsache, dass ich hier nicht behaupte, sondern zitiere, zu täuschen.

Sie behaupten zweitens, ich würde meine „Darstellung der Ideen und des Verhaltens von Khomeini“ „im wesentlichen“ auf den Autor Amir Taheri stützen. Mehr noch: Sie werfen mir vor, „große Teile“ meiner „argumentativen Herleitung … auf von Taheri erfundene Tatbestände zu stützen.“ Beide Behauptungen treffen nicht zu.

Erstens stützt sich meine Darstellung von Khomeinis Ideen auf dessen Hauptwerk „Der islamische Staat“ (siehe S. 116-119) und nicht auf Taheri. Zweitens wird Taheri in meinen beiden Kapiteln über die khomeinistische Praxis (S. 124-146) nicht ein einziges Mal zitiert. So kommt zum Beispiel in meinem Kapitel über die Botschaftsbesetzung von 1979/80 das von Ihnen kritisierte Taheri-Buch über diese Besetzung („Nest of Spies“) nicht vor. Drittens verschweige ich nicht, sondern weise selbst darauf hin, (auf S. 120), dass Taheri von 1972 bis 1979 der Chefredakteur der schahtreuen Zeitung Kayhan gewesen war.

Ich halte seine Bücher (wie auch die Werke anderer Nicht-Wissenschaftler von Naipaul über Canetti bis Schulze-Holthus und De Bellaigue) keineswegs für „unseriöse Literatur“, solange man sie quellenkritisch liest. So hatte mir Taheri, gerade weil er zwischen 1972 und 1979 eine führende Position in Iran bekleidete, (auf den Seiten 120-122) für jene Jahre als eine Art Zeitzeuge gedient.

Ich räume ein, dass über die auch von Taheri angeschnittene Frage, wie Khomeini und Safavi miteinander kommunizierten, Forschungsbedarf besteht. Auch in wissenschaftlichen Werken sind die „informellen Kontakte“ zwischen Khomeini und Safavis Organisation in Qom jedoch vermerkt. (Siehe z. B. Homa Katouzian, Mussadiq and the Struggle for Power in Iran, London 1990, S. 161)

Wenn Sie mir jedoch schreiben:
„Die Verbindung zwischen Navvab Safavi und Khomeini ist absolut zentral in Ihrem Buch, da Sie [sic] Grundlage Ihrer Argumentation ist, dass eine enge Verbindung zwischen Khomeini und den Muslimbrüdern und den Attentätern vom 11. September besteht“ –
so ist dies, mit Verlaub, absurd.

Erstens kommen die „Attentäter vom 11. September“ in meinem Buch nicht vor. Zweitens betone ich gerade hinsichtlich der Selbstmordattentate die Diskontinuität zwischen der Moslembruderschaft und Khomeini. Während die wichtigsten Repräsentanten der Muslimbrüder (Hassen al-Banna und Sayyid Qutb) gar nicht daran dachten, Selbstmordattentate zu legitimieren, leitete Khomeini den diesbezüglichen Gesinnungswandel ein. Drittens aber ist in meinem Buch nicht das Bündnis Safavi-Khomeini, sondern die Verbindung zwischen Deutschland und Iran „absolut zentral“. Khomeinis Verbrechen bleiben Verbrechen – egal ob man deren ideologischen Hintergründe, wie ich das tue, zu beschreiben sucht, oder nicht.

Des weiteren möchte ich, ohne Ihre Belesenheit in Frage stellen zu wollen, doch anmerken, dass wohl kaum einer von uns über die Deutungshoheit verfügt, welche Bücher als „die einschlägigen Werke“ über Irans Geschichte zu gelten haben und welche nicht. So wurde nach meiner Überzeugung bis heute eine Khomeini-Biographie, die als „wissenschaftliches Standardwerk“ bezeichnet werden könnte, nicht geschrieben. Ich bezweifele, dass zu meinem Thema – die deutsch-iranischen Beziehungen – eine vollständigere Bibliographie existiert, als die meines Buchs. Für weitere Literaturhinweise, die mir helfen, meine Argumentation zu präzisieren, bin ich immer dankbar.

Doch baut mein Buch in erster Linie auf Primärquellen auf. Dies gilt zu 100 Prozent für die letzten beiden Teile meiner Studie („Die Bundesrepublik und das Mullahregime“; „Berlin und der Atomstreit mit Iran“), weil hierzu keine Sekundärquelle existiert. Dies gilt eingeschränkt für mein Kapitel über den „Islamismus in Iran“, wo ich erstmals in deutscher Sprache aus dem Programm der Fadayan-i Islam, der ersten islamistischen Organisation Irans, zitiere. Und dies gilt besonders für Khomeinis Traktat ,Der islamische Staat’ – ein Buch, das weitgehend unbekannt und in deutscher Übersetzung lediglich in Spezialbibliotheken zu erhalten ist, obwohl hier die Programmatik der islamischen Revolution in Gänze ausgebreitet wird.

Weitere zentrale Quellen für mein Buch, auf die ich auf Seite 18 hinweise, sind die „deutsch-und englischsprachigen Dissertationen, die in der Regel von Iraner veröffentlicht wurden und unveröffentlicht blieben, sowie bislang unbekannte Dokumente aus Archiven in Washington D.C. und Berlin.“ Ich vermute, dass Sie unveröffentlichte Dissertationen nicht als „einschlägige Werke“ bezeichnen würden – gleichwohl handelt es sich um Informationsquellen erster Güte.

Sie warfen in Ihrer Rezension im Deutschlandradio eine Frage auf, die die Quellenlage meines Buchs ignoriert: „Man fragt sich, wo Küntzel seine Informationen über die iranische Geschichte hernimmt“. Sicher ist mein Buch alles andere als perfekt und ein dankbarer Gegenstand der Analyse und der Kritik. Leider haben Sie jedoch denselben unsachlichen Stil, den Sie bei der Inhaltskritik meines Buches an den Tag legten, auf das Gebiet der Quellenkritik übertragen. Sie haben die von mir neu erschlossenen Quellen ignoriert und die übrigen mit Vokabeln wie „unseriös“, „erfunden“ und „nicht zitierfähig“ diskreditiert. Eine ausgewogenen Darstellung ist dies nicht.

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Küntzel