EU-Militärmacht und Kosovo-Krieg

Stellungnahme auf der Europa-Konferenz von „Bastille-Republique-Nation“ in Paris, 7. Oktober 2000

Von Matthias Küntzel

Oktober 2000

Vor zehn Jahren wurde der Kalte Krieg beendet. Heute erleben wir den Beginn einer neuen militärischen Blockbildung: der Militärmacht USA wird eine europäische Interventionsarmee zur Seite und zunehmend auch gegenübergestellt. Es sind sogenannte Linksregierungen, die in London, Paris und Berlin für die neue Aufrüstungswelle verantwortlich sind. Diese Regierungen konkurrieren im mörderischen Wettkampf um globale Herrschaft mit Japan und den USA. In ihrer Propaganda greifen die Staatsmänner der ehemaligen 68er jedoch gerne auf den Anti-Imperialismus ihrer wilden Jugendjahre zurück. Habe nicht gerade der jüngste Krieg gegen Jugoslawien bewiesen, so heißt es, dass Europa sich von Amerika >emanzipieren< und zur eigenen militärischen Großmacht mutieren müsse? Habe nicht dieser Krieg uns vor Augen geführt, dass eine europäische Interventionsarmee nötig sei, um die Arroganz der USA zu kontern und deren Monopol zur Kriegsführung zu zerschlagen?

Doch die Wirklichkeit ist anders, als die Demagogie der Herrschenden es suggeriert. Mein Buch befasst sich mit der diplomatischen Vorgeschichte dieses Krieges, also mit der Frage, wie dieser Bombenterror und diese Parteinahme für die UCK und die weitere völkische Zerstückelung Jugoslawiens möglich werden konnte. Die Analyse dieser Vorgeschichte bestätigt eine Einschätzung des ehemaligen Außenministers von Rumänien, Adrian Nastase. Für Nastase >>ist die Balkanregion zu einem Versuchslabor einer Destabilierungsdoktrin in Europa geworden, in dem die Visionen einer autonomistischen und revisionistischen Politik eine zentrale Rolle spielen.<

Vor zehn Jahren erinnerte sich Deutschland an frühere Epochen und entdeckte, dass Europa nicht aus unterschiedlichen Staatsbevölkerungen, sondern aus sogenannten >Volksgruppen< besteht. Wir alle wissen, dass die Ankennung eines völkischen Selbstbestimmungsrechts für Slowenien und Kroation den blutigen Bosnien-Krieg vorbereitete. Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass Deutschland schon kurz darauf im Kosovo die Politik der völkischen Zerstückelung fortsetzte: Ich habe die Etappen dieser Entwicklung in einer französischen Kurzfassung meines Buches, die hier ausliegt, dargestellt, und deute sie deshalb jetzt nur an:
1995 unterzeichnete die Bundesregierung in Tirana eine deutsch-albanische Grundsatzerklärung, die >zur Lösung der Kosovo-Frage<, wie es darin heißt, ein >ethnisches< Selbstbestimmungsrecht für Kosovo-Albaner emphatisch bejahte. Folgerichtig wurde der organisierte Separatismus der Kosovo-Albaner von Deutschland aus finanziert und politisch unterstützt. Seit 1996 wurde der Aufbau der UCK von deutschen Geheimdienststellen koordiniert.

Im Sommer 1998 stellte sich heraus, dass eine De-Eskalation des Konflikts durch politischen Dialog nur unter einer Voraussetzung zu erreichen war: die Waffenlieferungen an die UCK mussten durch eine Abriegelung der serbisch-albanischen Grenze unterbunden werden. In dieser Situation wurde das Waffenembargo gegen die UCK nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch von Frankreich und Großbritannien und selbst von den USA unterstützt. Noch war also offen, ob sich die Nato als Hilfsmittel für die UCK oder als Hinderungsmittel gegen die UCK profilieren würde.
In dieser Situation trat Deutschland als Schutzmacht der UCK aus der Deckung hervor und legte gegen die Unterbindung der Waffenlieferungen sein Veto ein. Wer die Waffenlieferungen an die UCK behindern wolle, erklärte öffentlich die Bundesregierung, >>betreibe das Geschäft des Herrn Milosevic.<>zu einer Zeit, als die anderen Nato-Mitgliedsländer noch nicht daran dachten …zu einer Speerspitze für einen direkten militärischen Einsatz im Kosovo<< – zur Unterstützung der Separatisten, jedoch ohne Berücksichtigung des UN-Sicherheitsrats. Erst Monate später – und dies ist viel zu wenig bekannt! – wurde eine Orientierung auf Krieg auch von den USA unterstützt und forciert.

Die spezifische deutsche Parteinahme für die Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien – auch gegen Stellungnahmen aus Washington, London und Paris – setzt sich bis heute fort. So erklärte einer der wichtigsten deutschen Außenpolitiker, Karl Lamers, vor dem Bundestag, dass für ihn die Nato-Stationierung im Kosovo >>nur ein erster Schritt zur Loslösung des Kosovo von Jugoslawien<< und das unabhängig gewordene Kosovo >>nur der Zwischenschritt zu einem Anschluss an Albanien<< sei. Auch Joschka Fischer hat wiederholt erklärt, dass Jugoslawien noch weiter zerstückelt und die >albanische Frage< früher oder später >>nach dem Vorbild der >deutschen Frage< im Jahre 1990<< gelöst werden solle.

Nicht nur Rumänien und andere osteuropäische Staaten könnten künftige Steine in dem Dominospiel sein, dass in Jugoslawien begann. Die angesehene Frankfurter Allgemeine Zeitung mokierte sich vor wenigen Tagen über die >>hysterische Debatte<< über Korsika in Frankreich und fragte hoffnungsfroh: >>Schlägt in Frankreich das Pendel jetzt zurück? Bricht die Republik und mit ihr die Nation auseinander wie zuvor die zentralistisch regierten Vielvölkerstaaten Jugoslawien und Sowjetunion?<<

Der Krieg gegen Jugoslawien wurde unter der ebenso betörenden wie gefährlichen Losung: >>Menschrecht bricht Staatsrecht<< geführt und nur wenige wissen, dass die Parole >>Menschenrecht bricht Staatsrecht<< ein Zitat und sogar eine Überschrift aus Hitlers >Mein Kampf< ist. Ich erwähne dies nicht, um deutsche Politiker mit Hitler zu vergleichen, sondern um daran zu erinnern, welche verheerende Folgen eine Politik haben kann, die staatlichen Souveränitätsrechte systematisch zu torpedieren sucht.
Die demagogische Frage Joschka Fischers, ob Staatensouveränität wichtiger sein dürfte, als der Schutz der Menschen, hat, wie der Kosovo-Krieg beweist, wenig mit Menschenrechten zu tun, sondern allein mit dem Ziel, eine Welt zu schaffen, in der nur noch die allermächtigsten Länder dieser Erde das Recht auf >nationale Souveränität< mit Gewissheit für sich beanspruchen können.

Im Kosovo-Konflikt aber wurde die deutsch-völkische Politik nicht gestoppt, sondern die Politik anderer großer Mächte in die deutsche Richtung getrieben. Und dies soll eine gute Werbung für eine künftige europäische Interventionsstreitmacht sein?
Es gibt viele gute Gründe, warum dieses Projekt abgelehnt gehört. Ich schlage vor, auch die von mir genannten im Kampf gegen den EU-Militarismus einzusetzen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Nicht veröffentlicht)