„Es wird das Aussprechen von Erkenntnissen sabotiert...“

Der 11. September und die Linke [1]

Von Matthias Küntzel

Juli 2004

Die Anschläge des 11. September zerstörten mit dem World Trade Center gleichzeitig auch den gemeinsamen Nenner, der das unter dem Label „antideutsch“ firmierende Lager der deutschsprachigen Linken bis dahin noch zusammenhielt.

In Österreich flog die Redaktion der Zeitschrift Streifzüge auseinander, in Freiburg hockten plötzlich der ca ira-Verlag und dessen Autor Ulrich Enderwitz auf den entgegengesetzten Seiten der Barrikade und selbst die Zeitschrift konkret, die sich mit ihrer Antisemitismus-Kritik Meriten erworben hatte, stieg cum grano salis wieder in die altbackene Liga gegen den US-Imperialismus ab. So erhielt die Dokumentation über einen konkret-Kongress von Januar 2002 – Vorwort: Jürgen Elsässer und Hermann Gremliza – den Titel: „Deutschland führt Krieg. Seit dem 11. September wird zurückgeschossen“: Man witzelte die Anschläge in New York und Washington zu einem zweiten Sender Gleiwitz herunter und stellte den Krieg der USA gegen die Taliban mit dem Nazi-Überfall auf Polen auf eine Stufe.

Das von konkret angeführte Lager machte in erster Linie die USA für den Anschlag der al-Qaida verantwortliche, sei es direkt über die Verwicklung von Geheimdiensten oder indirekt durch das vermeintlich von den USA verursachte Elend in der Welt. In der Bush-Administration sah man zudem den eigentlichen geostrategischen 9/11-Profiteur.

Das andere Lager interpretierte die Anschläge entgegengesetzt: Für sie waren die USA am 11. September das Opfer einer Kriegsführung, welche die massenhafte und unterschiedslose Tötung von US-Amerikanern zum Selbstzweck erhebt und somit die Bilder von den suizidalen Massenmorden der Hamas wie auch das antisemitische Programm der Nazis in Erinnerung ruft. Der in Yale lehrende Computerwissenschafter David Gelernter pointierte diesen Zusammenhang so: „Bin Ladens Terroristen haben versucht, die größte jüdische Stadt in ein Brandopfer zu verwandeln. Ich weiß nicht, ob diese Symbolik intendiert war; aber ich weiß, dass die Deutschen dies der Welt erklären sollten. Die Amerikaner verstehen das nicht: reiner, unmotivierter Hass auf die Juden? Purer Hass aus Prinzip? Deutsche verstehen das sehr wohl“, weshalb sie „den Grund dafür erklären können.“ [2]

Dass die Öffentlichkeit im post-nationalsozialistischen Deutschland dieser Aufforderung Gelernters nicht nachkommen wollte, war zu erwarten. Überraschend war, dass auch das „antideutschen“ Mehrheitslager von jenem „unmotivierten Hass“ nichts wissen wollte, sondern verzweifelt Ausschau nach „rationalen Anteilen“ des Verbrechens hielt.

Betrachten wir zunächst den Fall von Bernhard Schmid, einem regelmäßigen Autor der Jungle World und der konkret. Auf folgende Weise phantasierte sich Schmid in einem nicht-öffentlichen Schreiben in den Kopf von Mohammed Atta hinein:

„Mohammed Atta … denkt in seinem Cockpit natürlich an das Symbol, das das WTC verkörpert. ... Daher zielte seine Aktion nicht auf die Auslöschung des konkreten Rollstuhlfahrers im WTC. ... Dass er den Tod einer großen Zahl von Menschen in Kauf nimmt, ist selbstverständlich zutreffend. Er rechtfertigt das vor seinem inneren Auge wahrscheinlich damit, dass die, WENN sie denn ,unschuldig’ seien, ja ohnehin ins Paradies kämen.“ Dieses „WENN“ schrieb Schmid nicht ohne Grund mit Großbuchstaben. Schließlich waren – Originaltext Schmid über die ermordeten Angestellten aus den Twin Towers – „MANCHE unter ihnen damit beschäftigt, irgend einem Teil der Menschheit das Leben zu Hölle zu machen.“

Es versteht sich von selbst, dass auch Schmid sich von den Anschlägen beredt distanzierte. Sein offenkundiges Bemühen, den islamfaschistischen Aktionismus mit den Kategorien eines linken Anti-Imperialismus zu versöhnen, illustriert gleichwohl den Verlust an Urteilsvermögen, der seit dem 11. September das Erkennungsmal der Linken geworden ist.

„Für viele Bewohner des Rests der Welt besteht darin sogar so was wie ausgleichende Gerechtigkeit“, fuhr Bernhard Schmid in seiner Nachbetrachtung des 11. September fort, „weshalb ich den damaligen Beifall in Argentinien und Ägypten emotional nachvollziehen kann – gedanklich MUSS ich ihn verwerfen.“ [3] Die barbarische Trennung von Gefühl und Verstand, die Schmid sich hier verordnet zu haben scheint, ist Selbstsuggestion: Die Frage ist doch, wie es um einen Verstand bestellt ist, der den „emotionalen Nachvollzug“ von vermeintlichem Jubel über den Anschlag auf das World Trade Center zulassen kann.

Nicht viel besser ist es um die 9/11-Deutung aus der Feder Hermann L. Gremlizas bestellt: „Nie in der Geschichte ist es das ärmste Opfer, das sich wehrt, nie ist es der Prolet, der Hungernde. Es ist der empfindsame Sohn aus besserem Haus, der den Anblick des Leids nicht erträgt. Hat sein Mitleid eine Chance, wird er, auch wenn er scheitert, ein Held und heißt Robin Hood oder Che. Dass er eine Chance hat oder zu haben glaubt, lässt ihn fast immer Mittel ergreifen, die bei all ihrer Gewalt von menschlichem Maß bleiben. Wem die Welt sich als nicht resozialisierbar darstellt, der kann nur noch kaputtmachen, was ihn kaputtgemacht hat, er muss rächen, vergelten, und so verspricht Osama Bin Laden in einem Aufruf zum ,Heiligen Krieg’ kein besseres Leben für die Seinen sondern nur noch ein schlimmes für die Feinde.“ [4]

Schmids Empathie und Gremlizas Erklärung haben mit den Darstellungen derer, die die Ideologie der Attentäter aus ihren Harburger Zusammenhängen kannte, nichts gemein. So attestierten die Zeugen im Hamburger Prozess gegen ein Mitglied der Harburger Gruppe, Mounir al Motassadeq, ihrem früheren Freund Mohammed Atta ohne Umschweife ein „nationalsozialistisches Weltbild“. Für Atta waren „die Juden“ die Strippenzieher der Medien, der Finanzwelt und der Politik. „Und ,das Zentrum des Judentums’, so sah es Atta, war New York. Atta wünschte sich einen Gottesstaat vom Nil bis zum Euphrat, frei von Juden, und sein Befreiungskrieg musste in New York beginnen.“ [5]

Warum wollte und warum will die Mehrheitsströmung im „antideutschen“ Lager die Handschrift des September-Verbrechens und dessen antisemitisches Motiv nicht sehen? Dieses Versagen hat in erster Linie mit einer spezifischen Wahrnehmung von Auschwitz zu tun. Es besteht m.E. ein Zusammenhang zwischen der jüngsten Weigerung, den islamistischen Antisemitismus als Zentralmotiv des 11. September zur Kenntnis zu nehmen und der bekannten Blockade, den deutschen revolutionären Antisemitismus als die Zentralvoraussetzung für Auschwitz in den Blick zu bekommen.

Diese Verbindung sehe ich z.B. bei Gremliza, der sich noch 1997 darum bemühte, einen „rationalen Anteil“ von Auschwitz ökonomisch herzuleiten: „Die Kritik der politischen Ökonomie trägt zur Erhellung der ,Vernichtung durch Arbeit’ und der IG Auschwitz soviel bei, dass ohne ihre Bemühung der rationale Anteil des ,zentralen Geschehens’, der ihm notwendig war (aber nicht ausreichend), unverstanden bliebe.“ [6] Ein „rationaler Anteil“ des Holocaust, „der ihm notwendig war“, und der nur unter Einbezug der „Kritik der politischen Ökonomie“ zu verstehen sei? Was Gremliza hier ausklammert, ist der Tatbestand, dass allein der massenhaft verankerte und durchaus spezifische antisemitische Wahn die Vernichtung aller Juden als vorrangig erscheinen ließ. Gremliza spricht vom „Interesse aller Unterdrückten überall, unter sich jemanden zu haben, auf den man spucken kann“; ansonsten aber seien es auch in Deutschland die Mittel „des Terrors und der Propaganda“ gewesen, mit deren Hilfe der Gegensatz der Klassen in einer Volksgemeinschaft scheinbar aufgehoben worden sei.

Wer aber den Einfluss der antisemitischen Ideologie selbst für Auschwitz derart reduziert, wird schwerlich den Wahn und dessen revolutionäres Potential erkennen, das heute im Vorgehen islamistischer Attentäter wirksam wird.

Trotzig vermittelt Gremliza seiner Leserschaft, dass die alte ökonomische Rationalität auch noch für den Selbstmord-Attentäter das non plus ultra sei: „Gerade das ,Unbegreifliche’“ der suizidalen Massenmorde der Islamisten, schreibt er im September 2002, „lässt sich doch leichter erklären, als die Talkshowpfaffen glauben: Wie sähe es – ganz ohne islamistischen Fanatismus – wohl im Leichenschauhaus von Buxtehude aus, würde für die Lieben jedes jugendlichen Einwohners, der seinen pubertären Selbstmordphantasien die Tat folgen lässt, 250.000 Euro ausgesetzt.“ [7]

Auch bei Thomas Ebermann scheint mir der Zusammenhang zwischen einer Fehleinschätzung des NS und der Fehleinschätzung des Islamismus evident. Ebermann leugnet den kardinalen Unterschied zwischen einer Politik, bei der die zielgerichtete Vernichtung von Menschen um der Vernichtung selbst willen geschieht und einer Politik, die zur Durchsetzung ihrer verwerflichen Ziele die Tötung von Zivilisten in Kauf nimmt, ohne die Massentötung Unschuldiger zum Zweck des Unternehmens zu erklären. Nicht wer auf diesem Unterschied bestehe, habe Recht, schreibt Ebermann, sondern wer sich „gegen die Behauptung wendet, die Tat sei beispiellos … , und zu diesem Zweck auf Kriege, Putsche, auf Vietnam, Chile oder Jugoslawien verweist, hat recht. Die Taten des Imperialismus zum vergleichsweise kleineren Verbrechen zu machen, heißt stets, die Opfer, die Toten in mehr oder weniger wertvolle einzuteilen.“ [8]

Der Vergleichsmaßstab, den Ebermann hier anlegt, ist ausschließlich einer der Quantität. Es geht beim 11. September aber nicht um größere oder kleinere Verbrechen, sondern um die spezifische Qualität eines Vorgehens, das die Vernichtung tausender Zivilisten als Selbstzweck intendiert. Doch gerade diese Qualität des Massenmords von Manhattan will Ebermann nicht sehen. Warum?

Es gibt, soweit ich es überschaue, nicht allzu viele Texte, in denen Ebermann über den Nationalsozialismus oder über Auschwitz schreibt. Da, wo er es tat, blieb der Antisemitismus als zentrales Antriebsmoment des Nationalsozialismus außen vor. „Vor allem aber steckte den Deutschen der Untertan in den Gliedern“, formulierte er z.B. 1995 zusammen mit Rainer Trampert in Die Offenbarung der Propheten. „Das Abtransportieren der Juden vor aller Augen und die öffentliche Jagd auf Kommunisten riefen selbst bei denen, die keine überzeugten Nazis waren, Erleichterung hervor, nicht zu den Verfolgten zu gehören. Das Gebelfer gegen Außenseiter gehörte längst zum Alltag von Kindesbeinen an. ... Ein solches Leben in Unsicherheit erzeugt bei den Untertanen den Wunsch nach Anlehnung an die Mächtigen … und den Drang, das von ihnen Verlangte überzuerfüllen.“ [9] Längst aber ist die Einschätzung widerlegt, wonach die Deutschen zur „Übererfüllung“ gerade deshalb neigten, weil sie als potentielle Opfer der Nazis von Angst und Unsicherheit geprägt gewesen seien.

Der Antisemitismus der islamistischen Attentäter wird von Gremliza und Ebermann nicht ignoriert. Ihr Fehler besteht darin, dass sie ihn als eine ideologische Beigabe betrachten, als eine Größe unter vielen, die sie anderen Faktoren hinzuaddieren. Sie wollen nicht verstehen, dass der revolutionäre Antisemitismus keiner weiteren Motivlage bedarf und seine Wirkungsmacht als mentale Disposition und als unerhellte Handlungsmatrix entfaltet. So wenig ihnen die Zentralität des Antisemitismus für Auschwitz ein Anliegen ist, so wenig wird von ihnen das getan, was David Gelernter beispielsweise tut: Den antisemitischen Impuls als die maßgebliche Voraussetzung des 11. September zu analysieren, die alles Handeln und Denken der Täter bestimmt.

Wie außerordentlich richtig Gelernter mit seiner Einschätzung lag, zeigte sich im November 2002, als der britischen „Observer“ Osama bin Ladens „Offenen Brief an das amerikanische Volk“ veröffentlichte. Warum warf bin Laden in diesem Brief den Amerikanern vor, „die schlimmste Zivilisation zu sein, die die Menschheit je gesehen hat“? Seine Antwort: „Weil ihr die Nation seid, die, anstatt mithilfe von Allahs Sharia und seinen Gesetzen zu regieren, es vorgezogen hat, sich eigene Gesetze nach eurem Willen und nach euren Bedürfnissen zu schaffen.“ Hieran hätten hauptsächlich Juden schuld. In Anlehnung an das antisemitische Machwerk der „Protokolle der Weisen von Zion“ erklärte in diesem Brief bin Laden, dass „die Juden in all ihren unterschiedlichen Formen und Verkleidungen die Macht über eure Medien und eure Ökonomie gewonnen haben und nun alle Aspekte eures Lebens beherrschen. Sie machen euch zu ihren Dienern und sie verfolgen ihre Ziele auf eure Kosten.“ [10]

Gremliza aber analysierte den bin Laden’schen Antisemitismus im selben Monat wie folgt: „Bin Ladens Judenhass ist, anders als der deutscher Möllemänner, Teil eines Hasses auf die westliche Welt und deren Herrschaft über den Rest. Er ist weit weniger religiös-fundamentalistisch als verrückt-antiimperialistisch. Dass das reichste Land des Nahen Ostens Juden gehört und der Zentralbankchef der USA Greenspan heißt, muss so einen auf dumme Gedanken bringen.“ [11]

Auch so kann man im Jahre 60 nach Auschwitz die Antisemitismus-Analyse verballhornen: Ein dummer Gedanke, auf den man schon wegen des Namens des Zentralbankchefs kommen muss! So, als wolle sich Gremliza partout in der Tradition jener Linken einreihen, die zwischen 1929 und 1933, statt Mein Kampf zur Kenntnis und wörtlich zu nehmen, den Antisemitismus der NS-Bewegung progressiv umzudeuten suchten, wird hier der islamistische Antisemitismus als ein Anti-Imperialismus der dummen Kerls bagatellisiert und die historische Kontinuität des arabischen Antisemitismus, der die Phase arabischer Nazi-Kollaboration fast bruchlos überdauerte, ignoriert.

Bis heute haben weder Gremliza noch Ebermann die Kritik an der Unterschätzung des rebellisch-antisemitischen Potentials, die wir 1997 in Goldhagen und die deutsche Linke zu entwickeln suchten, öffentlich reflektiert. Stattdessen erleben wir immer neue Versuche, sich mit Fälschungs- oder Verratsvorwürfen hiergegen zu immunisieren.

Schon 1998 hielt Gremliza es für angebracht, unsere im Kontext der Goldhagen-Debatte formulierte Kritik an konkret mit dem Vorwurf des Verrats zu erwidern. Schon damals war dies ausgesprochen lächerlich. Mit dem islamistischen Antisemitismus holt uns die vier Jahre alte Kontroverse heute wieder ein. [12] Und erneut bezichtigte Gremliza den Küntzel, der 13 Jahre als „konkret-Autor“ firmierte, des Verrats: Einige suchten „auf diesem küntzlichen Umweg den Anschluss ans teure Vaterland“, insinuierte er vor gut einem Jahr. Die Tatsache, dass der Abdruck eines daraufhin von mir eingereichte Leserbriefs verweigert wurde, macht deutlich, dass hier, wie auch bei dem nun folgenden Auftritt Thomas Ebermanns, nicht Personen geächtet, sondern Erkenntnisse sabotiert werden sollen. [13] „Etwas“, schreibt Ebermann, muss „in ihm rumort und gebrodelt haben, was nun durchbricht, das Coming-out.“ Fortan würde Küntzel „zwingend notwendige(n) Unsinn“ über den Islamismus schreiben, fährt Ebermann in seinem Artikel, den er mit „Eine Studie am Detail“ überschrieb, fort. Denn da Küntzel etwas „ändern“ wolle, nämlich den Tatbestand, „ein einflussloser Autor“ zu sein, müsse er, wohlgemerkt aus karrieristischen Motiven, „auf richtige, aber aussichtslose Unternehmungen verzichten“, um stattdessen bei der „Dämonisierung des Feindes“ mitzumachen, und somit also „vom Aufklärer zum Propagandamacher zu mutieren“. [14] Fürwahr eine Perle des unfreiwilligen Kabaretts!

Das Motiv derartiger Konstrukte verweist jedoch auf ein grundsätzliches Problem, weshalb es an der Zeit ist, Adorno zu Rate zu ziehen, der diesen Typus der Argumentation so analysiert: Hier „wird das Aussprechen von Erkenntnissen sabotiert mit dem Hinweis darauf, sie kämen irgendwelchen Gegnern zugute.“ Adorno fährt fort: „Gefährlich sind nicht Einsichten, die Feinde ausspielen könnten, sondern die blinde Apologie“ – die blinde Verteidigung einer zuvor gefassten Überzeugung – „ die das Fragwürdige verstärkt und damit wahrhaft den Feinden recht gibt.“ [15]

„Die Gefährlichkeit der blinden Apologie“, die schon vor vier Jahren in Gremlizas Umgang mit Goldhagen und die deutsche Linke erkennbar war, hat sich im Kontext des Islamismus erkennbar erhöht. Und gab nicht konkret, als es die Behauptung einer möglichen CIA-Verantwortung für den 11. September mithilfe eines Andreas von Bülow belegen lassen wollte, „wahrhaft den Feinden recht“? [16]

Dies aber zeichnet die Gruppe derer, die nach dem 11. September den Anti-Amerikanismus neu entdeckten und die Bedeutung des Antisemitismus als handlungsleitendes Motiv von Islamisten unterschätzen, bis heute aus: dass sie das Aussprechen von Erkenntnissen sabotieren und somit das Fragwürdige, anstatt es infrage zu stellen, immer weiter verstärken.

Matthias Küntzel
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[1] Dieser Text ist die gekürzte Fassung meines Gastbeitrags auf der Konferenz „Gegen die antisemitische Internationale“ am 7. Juni 2003 in Berlin. Er wurde im Oktober 2004 in der Nummer 6-7, 2004 der Wiener Zeitschrift Context XXI veröffentlicht.

[2] David Gelernter, Warum Amerika? Bin Ladins Hass ist Judenhass, in : FAZ, 27. Oktober 2001.

[3] So B. Schmid in seinen Briefen vom 27. 1. 2003 und vom 30.1. 2003 an den Verfasser. Semantisch weitaus zurückhaltender verteidigte Schmid diese Position später in dem Artikel „Matthias Küntzel und der Islamismus. Der ,Krieg gegen den Terror’ und das Abdanken linker Politik“, der unter veränderten Überschriften ebenfalls in der Jungle World sowie der Soz erschien. (Vgl. ak 459, 22.2.202, S. 24f, Soz 3/März 2003, S. 18 sowie Jungle World Nr. 7/2002, S. 5.)

[4] H.L.Gremliza, Schöne neue Theorie, in: konkret 11/2001, S. 9. Eine vergleichbar intensive Einfühlung in die Situation der Opfer des 11. September ging den Texten Gremlizas bislang zumindest ab.

[5] Spiegel 36/2002, S. 117. Siehe hierzu auch den Prozess-Bericht von Christian Eggers, Auf dem Weg ins Nazi-Paradies, in: konkret März/2003, S. 28f..

[6] H.L. Gremliza, Fußnote zu Zuwi, in: konkret 10/97, S. 35. „Es ist wahr“, fuhr Gremliza seiner Anmerkung fort, „dass der Antisemitismus der Deutschen nicht nur keinen Interessengegensatz zu Juden braucht, sondern überhaupt keine Juden. Aber es ist auch wahr, dass es ein Interesse deutscher Mittelständler, Industrieller und Bankiers an der möglichst spurlosen Beseitigung von Menschen gab, deren Geschäft man an sich bringen, nämlich ,arisieren’ konnte. ... Sieht Detlef zum Winkel in seinen Landsleuten vielleicht doch lieber mordbrennende Idioten als raffgierige Schweine?“

[7] H.L. Gremliza, Deutscher Frieden, in: konkret, 9/02, S. 9.

[8] Thomas Ebermann: Küntzel’s ,beispiellose’ Tat, in: Jürgen Elsässer (Hg.), Deutschland führt Krieg, Hamburg 2002, S. 193. Bernhard Schmid zeigt, wie sich der von Ebermann gewählte quantitative Ansatz zuspitzen lässt: Die Anschläge des 11. September seien zwar schlimm gewesen. „Nur: Im Vergleich zu den Kriegszuständen, die in Teilen dieser Welt herrschen, war das … beinahe ein laues Lüftchen.“ (A.a.O.)

[9] Thomas Ebermann, Rainer Trampert, Die Offenbarung der Propheten. Über die Sanierung des Kapitalismus, die Verwandlung linker Theorie in Esoterik, Bocksgesänge und Zivilgesellschaft, Hamburg 1995, S. 238.

[10] Die vollständige englische Übersetzung dieses Briefes veröffentlichte der Observer am 24. November 2002.

[11] H.L. Gremliza, Pflaster unter dem Strand, in: konkret 11/2002

[12] Vgl. H.L.Gremliza, Das Falsche im Richtigen, in: konkret 2/1998, sowie die Erwiderung: F. Behn/M. Küntzel, Ropetz, in: konkret 3/1998, S. 26f.

[13] H.L. Gremliza, Eine Zäsur findet nicht statt, in: konkret 3/2002, S. 17. Der nicht veröffentlichte Leserbrief findet sich unter www.matthiaskuentzel.de Goldhagen und die deutsche Linke, verfasst von Ulrike Becker, Frank Behn, Clara Fall, Matthias Küntzel, Wladimir Schneider, Jürgen Starck, Klaus Thörner und Rolf Woltersdorf, erschien 1997 im Berliner Elefanten Press Verlag.

[14] Thomas Ebermann, Hedonismus statt Kommunismus? Der linke Bellizismus und die Reize des Westens – eine Studie am Detail, in: Deutschland führt Krieg. Seit dem 11. September wird zurückgeschossen, S. 188 und S. 196.

[15] T. W. Adorno, Das Altern der Neuen Musik, in: ders., Dissonanzen, Göttingen 1956, S. 119.

[16] „Wer waren die Insider?“, Interview mit Andreas von Bülow, in: konkret 12/2001, S. 14ff. Dass Erkenntnis auch anders sabotiert werden kann, stellte Gremliza in konkret 5/2003 unter Beweis: „’Phase 2’, eine Vierteljahresschrift ,gegen die Realität’, hat einen Denker aufgetrieben, der so denkt: ,Dabei ist der Djihadismus heute nur die Speerspitze der regressiven Antwort auf das Kapital.’ Die Regression hat eine Speerspitze. Wem steckt sie die wo rein? Ein Vorschlag: ihrem Erfinder, Matthias Küntzel, halbhoch, hinten.“ (konkret 5/2003, S. 66) Das Interview mit der Zeitschrift ‘Phase 2’ findet sich unter www.matthiaskuentzel.de .